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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Fußabdrücke in meinem Zimmer, einer winzig und nackt, der andere groß und von einem Stiefel erzeugt. Einem Arbeitsstiefel vielleicht oder einem Jagdstiefel. Die nomurs-Morde mögen mich fesseln, doch ich kann Malmaison unmöglich verlassen, ohne mehr über diese Fußabdrücke in Erfahrung zu bringen.
    Ich atme tief durch und zwinge mich Platz zu nehmen.

11
    M ein Großvater sitzt in einem ledernen Clubsessel und betrachtet mich interessiert. Er ist eine imposante Gestalt, und er weiß das. William Kirkland sieht Stück für Stück genauso aus, wie sich die Leute ihren Chirurgen vorstellen: zuversichtlich, imponierend und frei von jedem Zweifel. Als könnte er beim Operieren knöcheltief im Blut stehen und nur noch ruhiger werden, je kritischer die Situation wird. Gott hat meinen Großvater mit jener magischen Kombination aus Hirn, Kraft und Glück ausgestattet, die keine noch so große Armut in Schach zu halten vermag, und seine persönliche Geschichte ist legendär.
    Geboren im erzkonservativen, baptistischen Farmgürtel von Texas, überlebte er auf der Fahrt zu seiner Taufe einen Autounfall, bei dem seine Eltern starben. Er wurde von seinem verwitweten Großvater aufgenommen und wuchs zu einem Knaben heran, der im Sommer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeitete und im Winter so ausgezeichnete Noten in der Schule erzielte, dass er die Aufmerksamkeit des Schuldirektors erweckte. Nachdem er ein Stipendium in Sport an der Texas A&M erhalten hatte, log er, was sein Alter betraf, und schrieb sich mit siebzehn Jahren bei den U. S. Marines ein. Zwölf Wochen später war Private Kirkland auf dem Weg zu den Pazifischen Inseln, wo er einen Silver Star und zwei Purple Hearts errang, während er sich in blutigen Kämpfen Japan näherte. Er erholte sich von seinen Verwundungen und benutzte schließlich die GI-Abfindung, um seinen Abschluss an der A&M fertig zu machen, wo er ein weiteres Stipendium an der Tulane Medical School in New Orleans gewann. Dort lernte er meine Großmutter kennen, die sittsame Prinzessin von Tulanes Schwesternkolleg H. Sophie Newcomb.
    Als Presbyterianer und Mittelloser wurde mein Großvater zunächst vom katholischen Patriarchen der DeSalle-Familiemisstrauisch beäugt, doch durch die schiere Ausstrahlung seiner Persönlichkeit gewann er seinen zukünftigen Schwiegervater für sich und heiratete schließlich Catherine Poitiers DeSalle, ohne auch nur seine Religion zu wechseln. Meine Großeltern hatten zwei Töchter, noch bevor Großvater seine Ausbildung beendet hatte, und doch gelang es ihm irgendwie, seine Zeit als Assistenzarzt mit den höchsten Auszeichnungen abzuschließen. 1956 zog er mit seiner jungen Familie in die Heimatstadt seiner Frau – Natchez – und trat in die Praxis eines bekannten einheimischen Chirurgen ein. Die Zukunft schien in Stein gemeißelt, was meinem Großvater als überzeugtem Anhänger der calvinistischen Doktrin von der Vorbestimmung durchaus nicht unrecht war.
    Dann starb der Vater seiner Frau. Da es keinen männlichen Erben gab, der die ausgedehnten landwirtschaftlichen und geschäftlichen Unternehmungen der DeSalles hätte übernehmen können, begann mein Großvater, sich um diese Angelegenheiten zu kümmern. Er zeigte die gleiche Begabung für das Geschäft, die er für alles andere besaß, und es dauerte nicht lange, bis er das Vermögen der Familie um ein Drittel vergrößert hatte. Bald verkümmerte die Chirurgie fast zu einem Hobby, und Großvater bewegte sich in immer höheren Geschäftskreisen. Doch er ließ seine ländliche Vergangenheit niemals hinter sich. Er kann noch immer zusammen mit einer Gruppe von Feldarbeitern eine Flasche Bourbon niedermachen, ohne dass sie auch nur ansatzweise ahnen, wer da mit ihnen zusammensitzt – nämlich der Mann, der ihre Löhne zahlt.
    Er leitet das DeSalle-Imperium – einschließlich seiner Familie – wie ein Feudalherr, doch ohne Söhne oder Enkel, die sein Erbe eines Tages antreten könnten, hat sich die gesamte Last seiner frustrierten dynastischen Ambitionen auf mich niedergeschlagen.
    »Wo warst du?«, frage ich, nachdem ich alle schweigenden Blicke erduldet habe, die ich ertragen kann.
    »Washington«, antwortet er. »Innenministerium.«
    Die offene Antwort überrascht mich. »Ich dachte, es wäre ein großes Geheimnis?«
    Er nippt prüfend an seinem Scotch. »Für manche Leute ist es das auch. Aber im Gegensatz zu deiner Mutter und ihrer Schwester weißt du, wie man ein Geheimnis bewahrt.«
    Ich spüre,

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