Bisswunden
Praxisgebäude führt. Der verputzte Bau besitzt nur eine Etage, doch er ruht auf Betonsäulen, sodass Maliks Patienten unter dem Gebäude parken können.
»Alles in Ordnung?«, fragt Kaiser hinter mir. »Stört der Sender?«
»Alles in Ordnung«, antworte ich. Ein fbi-Techniker hat mir den Sender mit Klebeband an der Innenseite des Oberschenkels befestigt, unter meinem Rock. Fast wäre ich in Freizeitkleidung gekommen, doch im letzten Augenblick entschied ich mich für einen engen Rock und ein dazu passendes Top. Wenn Malik sich während meiner Zeit an der Medical School von mir angezogen gefühlt hat, dann kann subtile Sinnlichkeit mir bei meiner Suche nach Informationen heute gute Dienste leisten.
Der Sender an meinem Oberschenkel ist die geringste meiner Sorgen. Zwei Dutzend Cops halten sich in Fahrzeugen verborgen, die vor den angrenzenden Gebäuden parken; acht dieser Cops sind Mitglieder eines Spezialkommandos. Sobald ich in Maliks Praxis bin, werden diese Männer unbemerkt in das Gebäude vordringen und mich aus dem Nachbarzimmer decken. Ich müsste also sicher sein – es sei denn, Malik hat vor, eine Waffe zu ziehen, sobald ich den Raum betrete, und mich zu erschießen – in dem Wissen, dass draußen die Polizei wartet. Trotzdem – jetzt, nachdem das Treffen unmittelbar bevorsteht, hat die Realität meine frühere Aufregung gedämpft. Ich fühle mich, als wollte ich in den Käfig eines gezähmten Tigers steigen. Die Kreatur mochte dressiert sein, Unterwürfigkeit zu zeigen, doch wer glaubt, dass man einem Raubtier die Wildheit abgewöhnen kann, macht sich etwas vor.
»Cat?«, fragt Kaiser nervös.
In der vergangenen halben Stunde ist mir klar geworden, dass John Kaiser die nomurs-Sonderkommission leitet. Es mag dem Namen nach ein Gemeinschaftseinsatz sein, doch in der Hierarchie der tatsächlichen Befehlskette ist Kaiser der Alpha-Rüde. Ich habe mich vor Sean sehr zurückhaltend gegenüber Kaiser benommen. Es ist ein altes Problem bei mir, ein Zwang, in jeder Situation den jeweils dominanten Mann dazu zu bringen, dass er mich will.
»Alles in Ordnung«, versichere ich Kaiser, während ich im Stillen die verabredete Phrase wiederhole, die er mir vor wenigen Minuten genannt hat. Verfolgen Sie die Spiele der Saints? Dieser banale Satz soll – zumindest theoretisch – den blitzartigen und explosiven Zugriff des Sondereinsatzkommandos der Polizei von New Orleans nach sich ziehen.
»Wann immer Sie so weit sind«, sagt Kaiser. »Von nun an ist es Ihre Show.«
Ich steige ohne Zögern die Treppe hinauf; dann öffne ich die Tür am oberen Ende, bevor ich Zeit finden kann, mir die Sache anders zu überlegen. Der fbi-Mann klopft mir ein letztes Mal auf die Schulter, und ich bin dankbar für die Berührung. Sie erinnert mich an meinen Schwimmtrainer, der mir immer Glück gewünscht hat, bevor ich meinen Platz auf dem Startblock einnahm.
Hinter der Tür befindet sich ein Gang mit Türen zu beiden Seiten. Ein abgewetzter grüner Teppichboden, braune Paneele an den Wänden. Es riecht wie in einer Arztpraxis, was mich überrascht. Die meisten Sprechzimmer von Therapeuten, die ich bisher kennen gelernt habe, rochen nach Zuhause oder nach Wohnung.
»Hallo?«, ruft eine männliche Stimme. »Sind Sie das, Dr. Ferry?«
»Ja«, antworte ich und bemerke verlegen, wie dünn meine Stimme in der toten Luft des Korridors klingt.
»Ich bin hier hinten. Ganz am Ende des Gangs.«
Die Tür am Ende des Gangs steht einen Spaltbreit offen. Ich nähere mich ihr bis auf zwei Schritte, dann bleibe ich stehen und streiche meinen Rock glatt. Er hat während der Fahrt hierher Falten geschlagen.
»Kommen Sie herein«, sagt die Stimme. »Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.«
Richtig, sage ich mir und gehe durch die Tür.
Nathan Malik sitzt der Tür zugewandt an einem großen Schreibtisch. Trotz der sommerlichen Hitze trägt er eine schwarze Hose und einen schwarzen Rollkragenpullover, wahrscheinlich aus Seide. Sein muskulöser Körper weist kein Gramm überflüssiges Fett auf, und sein kahler Schädel ruht auf dem mächtigen Rumpf wie eine Büste auf einem Sockel. Seine Haut ist hell, fast weiß, was gar nicht leicht ist angesichts des Sommers in New Orleans. Die Blässe betont seine Augen auf dramatische Weise: Seine Iris sind so dunkelbraun, dass sie schwarz wirken. Seine Hände sind klein und wirken fast so zierlich, als gehörten sie einer Frau. Ich versuche mir diese Hände vorzustellen, wie sie Kugeln in das Rückgrat
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