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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sind gegenüber Malik bereits jetzt als Gegner aufgetreten. Bevor wir ihn ins Gefängnis stecken und eine schlechte Situation noch weiter verschlimmern, würde ich gerne alles von ihm erfahren, was wir erfahren können. Und weil er darum gebeten hat, mit Ihnen zu reden, bietet sich eine einzigartige Gelegenheit für uns.«
    »Aber …?«
    »Ein Treffen wie dieses ist riskant, und das in mehr als einer Hinsicht. Bevor wir weitermachen, muss ich ganz offen zu Ihnen sein. Kein Raum für verletzte Gefühle.«
    John Kaiser ist nur drei oder vier Jahre älter als Sean, doch er scheint eine Aufrichtigkeit und Tiefe zu besitzen, die Sean neben ihm wie einen Jungen aussehen lässt. Eine Abgeklärtheit, die nichts mit reinem Älterwerden zu tun hat. Doch Sean ist kein Junge. Er ist ein erfahrener Detective beim Morddezernat und hat viel menschliches Elend gesehen. Was hat dieser fbi-Mann erlebt, dass er so viel abgeklärter wirkt?
    »Ich verstehe«, sage ich merkwürdig aufgeregt ob der Aussicht, mit Nathan Malik persönlich zu reden. »Schießen Sie los.«
    »Ihr Vater war in Vietnam, richtig?«
    »Ja.«
    »1969 bis 1970?«
    »Ja.«
    »Und er wurde 1981 ermordet?«
    Ich widerstehe dem Impuls, unbehaglich auf meinem Stuhl zu rucken. »Ja. Ich war damals acht.«
    »Ich habe versucht, eine Kopie vom Autopsiebericht über Ihren Vater zu erhalten, doch der Staat Mississippi scheint das Original verloren zu haben. Gab es bei der Ermordung Ihres Vaters einen Aspekt, der möglicherweise in Verbindung stehen könnte mit den Morden, die sich hier in New Orleans im Verlauf der vergangenen vier Wochen ereignet haben?«
    »Sie meinen Bisswunden oder so etwas?«
    »Irgendeine Gemeinsamkeit.«
    »Nichts. Wollen Sie andeuten, dass mein Vater und Nathan Malik sich in Vietnam gekannt haben?«
    »Es wäre möglich. Vielleicht sogar vor Vietnam. Nathan Malik und Ihr Vater wurden beide 1951 in Mississippi geboren. Verschiedene Städte, zugegeben, zweihundert Meilen auseinander, doch ihre Wege können sich bereits vor Vietnam gekreuzt haben, vielleicht nachdem sie eingezogen wurden.«
    Sean wirkt ungeduldig. »Was steht denn in den Unterlagen der Army?«, fragt er. »Wäre es möglich?«
    »Wenn es so einfach wäre«, sagt Kaiser. »Ich habe Maliks Akte eingesehen, aber Luke Ferrys Militärakte ist beim Verteidigungsministerium unter Verschluss und versiegelt bis 2015.«
    Ich fühle mich plötzlich von der Welt ringsum entrückt. »Das … das kann ich nicht glauben.«
    »Womit haben wir es hier zu tun, John?«, fragt Sean.
    »Ich habe bis jetzt nicht die geringste Ahnung.« Kaiser sieht unglücklich aus. »Aber wir können wohl mit Sicherheit sagen, dass dieser Fall wesentlich komplizierter ist, als es den Anschein hatte.« Er wendet sich mir zu. »Ich weiß, dass es aufwühlend ist, wenn das ganze Privatleben durchleuchtet wird, Dr. Ferry«, sagt er. »Aber wenn es möglich wäre …«
    »Fragen Sie, was Sie fragen müssen«, sage ich. »Ich weiß, dass es noch schlimmer kommt.«
    Kaiser sieht aus, als zöge er es vor, lieber nicht auf dem Weg weiterzugehen, den er eingeschlagen hat. »Nach unserem gestrigen Gespräch habe ich bei Dr. Christopher Omartian angerufen und herausgefunden, dass er sich an Malik erinnert.«
    Ich schließe die Augen und wappne mich innerlich. Chris Omartian hat damals versucht, sich wegen mir umzubringen. Er hat Kaiser wahrscheinlich eine Menge erzählt, und bestimmt nichts Gutes.
    »Dr. Omartian hat ein paar sehr unschöne Dinge über Sie erzählt«, bestätigt Kaiser meine Vermutung. »Ich konnte spüren, dass er eine Reihe ungelöster Probleme mit sichherumträgt, insbesondere was Sie angeht. Trotzdem muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen zu dem, was er gesagt hat.«
    »Nur zu.«
    »Er hat behauptet, Sie wären manisch-depressiv.«
    »Das bin ich nicht. Allerdings wurde ich als zyklothym diagnostiziert.«
    Kaiser sieht mich fragend an. »Zyklo-was?«
    »Zyklothymie ist eine schwache Form bipolarer Persönlichkeitsstörung. Ich leide unter manischen Symptomen, die weit schwächer sind als bei wirklich manisch-depressiv Erkrankten. Man nennt es Hypomanie. Die Diagnose hängt von der Häufigkeit und Schwere der manischen Phasen ab.«
    Der fbi-Mann möchte offensichtlich genauere Informationen.
    »Hören Sie, ich leide unter Depressionen und gelegentlich unter Phasen manischen Verhaltens. Diese Phasen wechseln sich in unregelmäßigen Abständen ab und dauern unterschiedlich lang. Sean hat diese Extreme inzwischen

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