Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
seit zwei Jahren mitgemacht. Ich kann tief deprimiert sein und mich mit Selbstmordgedanken tragen, und eine Woche später fühle ich mich, als wäre ich unverwundbar, als läge mir die ganze Welt zu Füßen, und gehe die verrücktesten Risiken ein. Manchmal tue ich unschöne Dinge. Und manchmal – nicht sehr häufig – erinnere ich mich nicht an diese Dinge.«
    Kaiser sieht Sean an, der mich mit den Worten überrascht: »Es ist nicht so dramatisch, wie Cat es jetzt darstellt. Sie ist eigentlich die meiste Zeit ziemlich normal.«
    »Dr. Ferry«, sagt Kaiser vorsichtig. »Besteht die Möglichkeit, dass Sie irgendwann einmal als Patientin bei Nathan Malik gewesen sind?«
    »Was?«
    »Ich muss Ihnen diese Frage stellen.«
    »Warum? Glauben Sie, dass ich schizophren bin oder etwas in der Art?«
    »Ich versuche lediglich, mir ein Bild zu machen.«
    »Nathan Malik und ich passen aber nicht in das gleiche Bild! Ich kenne diesen Kerl nicht!«
    »Also gut.« Kaiser legt die Fingerspitzen zusammen und blickt mich unsicher an. »Glauben Sie, dass Sie ein Zusammentreffen mit Malik durchstehen?«
    Ich will zu einer Antwort ansetzen, doch er hebt die Hand. »Ich denke dabei an Ihre Panikattacke an den Tatorten. Wir können nicht vorhersagen, welche Spielchen Malik mit Ihnen treiben wird.«
    »Wo soll dieses Treffen stattfinden?«
    »Malik hat seine Praxis vorgeschlagen. Sie ist nicht weit von hier. Auf der Ridgelake, die vom Veterans’ Boulevard abgeht. Er will von Angesicht zu Angesicht und allein mit Ihnen reden.«
    »Das soll wohl ein Witz sein«, wirft Sean ein.
    Kaiser schüttelt den Kopf, doch sein Blick bleibt unverwandt auf mich gerichtet. »Wir würden Sie selbstverständlich verkabeln, und ein Sondereinsatzkommando würde draußen warten. Sie könnten mit einer vorher vereinbarten Redewendung die Rettungsaktion auslösen, sobald Sie um Ihre Sicherheit besorgt sind.«
    »Auf keinen Fall!«, sagt Sean. »Malik könnte sie erschießen, bevor Ihre Leute auch nur die Tür überwunden haben. Ich habe so etwas schon erlebt, John. Und Sie ebenfalls.«
    Kaiser wirft Sean einen wütenden Blick zu. »Dr. Malik hat gesagt, Dr. Ferry könnte bewaffnet zu der Unterredung kommen, wenn sie möchte. Und er hat weiter gesagt, dass er keine Einwände hat, wenn wir die Unterhaltung auf Band mitschneiden.« Der fbi-Agent sieht wieder zu mir. »Ich denke, Sie wissen, warum ich geneigt bin, ein Treffen in Maliks Praxis zuzulassen.«
    »Es ist sein Territorium. Je sicherer er sich fühlt, desto wahrscheinlicher ist es, dass er irgendetwas für Sie Nützliches sagt.«
    Kaiser lächelt. »Wie angenehm, wenn man es zurAbwechslung mal nicht mit Laien zu tun hat.« Er deutet auf die blutigen Verbrechensfotos auf dem Tisch. »Fünf Morde im vergangenen Monat, zwei davon in den letzten drei Tagen. Ich würde sagen, unser Killer dekompensiert verdammt schnell. Ich bin bereit, ein Risiko einzugehen, wenn sich dadurch die Chance bietet, ihn aufzuhalten.«
    »Das ist doch völliger Mist!«, begehrt Sean auf. »Wählen Sie einen neutralen Treffpunkt, den Sie kontrollieren können!«
    Ich lege ihm die Hand auf den Arm. »Lass nur, Sean. Wann soll dieses Treffen stattfinden?«
    Kaiser erhebt sich und blickt zu mir herab. »Malik ist zurzeit in seiner Praxis. Ich habe ein Abhörteam mit einem Wagen draußen. Wie schnell können Sie angezogen sein?«
    Erwartung und Nervenkitzel durchzucken mich. Zum ersten Mal seit drei Tagen ist die Sucht nach Alkohol zu etwas reduziert, das im Hintergrundrauschen untergeht. Fünf Männer wurden ermordet. Hunderte von Gesetzesbeamten arbeiten rund um die Uhr, um den Mörder zu finden. Bis jetzt haben sie nichts in den Händen. Und nun stehe ich im Begriff, mich auf seinem eigenen Territorium mit dem Mann zu treffen, der aller Wahrscheinlichkeit nach hinter den Morden steckt. Ein normaler Mensch sollte ein wenig Angst spüren. Oder zumindest Beunruhigung. Doch ich spüre nichts als Aufregung, die reine und destillierte Essenz des Gefühls, lebendig zu sein. Das einzige Gefühl, das dem nahe kommt, ist der beinahe sinnliche Rausch von Hyperbewusstheit, der den Beginn einer manischen Phase signalisiert. Kein normaler Mensch hat eine Vorstellung, wie das ist.
    Kaiser und Sean beobachten mich mit dem Misstrauen von Psychiatern in einer geschlossenen Abteilung. Beinahe hätte ich aufgelacht.
    »Geben Sie mir zehn Minuten, okay?«

16
    I ch stehe zusammen mit John Kaiser am Boden einer Metalltreppe, die hinauf in Nathan Maliks

Weitere Kostenlose Bücher