Bisswunden
Spur von den Tatorten analysieren, während sie darauf warten, dass ich mich in der Lage fühle, eine Abschlussbesprechung durch das fbi über mich ergehen zu lassen.
Doch das wird heute nicht geschehen.
Ich liege in der Dunkelheit da, und eines weiß ich mit absoluter Gewissheit. Ich muss nach Malmaison zurück. Heute. Ich glaube vielleicht, dass der kleinere der beiden blutigen Fußabdrücke von mir selbst stammt, dass ich ihn vor dreiundzwanzig Jahren dort hinterlassen habe, doch solange das keine bewiesene Tatsache ist, kann ich mit der Information nichts anfangen. Ich verfüge über die Werkzeuge und das Wissen, den Beweis zu erbringen, und ich werde keinen Frieden finden, bevor ich es nicht getan habe. Weil ich meine forensischen Utensilien ständig mit mir führe und einsatzbereit halte – selbst die Substanzen für Tests, die nicht direkt mit meinem Fachgebietin Verbindung stehen – kann ich in zwanzig Minuten auf der Straße sein. Ich habe nicht vor, länger zu brauchen. Es ist Montag, und ich will es vor dem Berufsverkehr schaffen.
Ich gehe durch den Flur zur Küche, um mir Kaffee zu machen, als ich Zigarettenrauch rieche. Dann höre ich ein Husten aus dem Esszimmer. Sean hat vor einem Jahr mit dem Rauchen aufgehört.
Ich schleiche zum Ende des Flurs. Das Esszimmer liegt im Dunkeln. Als meine Augen sich an die Dämmerung gewöhnt haben, sehe ich einen Mann auf dem Sofa sitzen.
Ich strecke die Hand aus und schalte das Licht ein.
Sean trägt Boxershorts und sein Oxford-Hemd, das von oben bis unten aufgeknöpft ist. Sein Gesicht ist so eingefallen, wie ich es noch nie gesehen habe. Er sieht aus wie ein Mann, der Zeuge eines grauenvollen Unfalls geworden ist. Eines Unfalls, in den seine eigene Familie verwickelt war.
»Sean? Was machst du?«
Er sieht nicht in meine Richtung. »Ich denke nach.«
Ich tappe zum Sofa und blicke auf ihn hinab. Auf dem kleinen Tisch steht eine Flasche Bushmills, daneben eine Untertasse voll mit ausgedrückten Zigaretten. Die Flasche war neu, doch sie ist jetzt zu einem Drittel leer. Daneben liegt eine aufgeschlagene Zeitung, und aus den Seiten starrt mich das Gesicht von Nathan Malik an. Darunter ist ein weiteres Bild, das zeigt, wie der Psychiater in die Kamera winkt, während er von der Polizei durch die Gravier Street geführt wird – den so genannten Hollywood Walk vom Hauptquartier des nopd zur Central Lockup Unit, dem Polizeigewahrsam.
»Ist alles in Ordnung?«, frage ich.
»Nein.«
»Warst du die ganze Nacht hier? Im Haus, meine ich?«
»Nein.« Er sieht mich immer noch nicht an.
»Du hattest versprochen, mich zu wecken, bevor du gehst.«
»Ich hab’s versucht. Du warst nicht wach zu kriegen.«
»Wann bist du gegangen?«
Endlich sieht er auf. Seine Augen sind glasig. »Sie wissen es, Cat.«
»Was wissen sie? Wer weiß was?«
»Alle.«
»Was ist passiert, Sean? Wovon redest du überhaupt?«
»Von uns. Alle wissen Bescheid.«
Ich weiche einen Schritt zurück. »Wie meinst du das?«
»Irgendjemand hat geredet.« Er zuckt die Schultern, als wäre es ihm egal. »Ich bezweifle, dass Kaiser dahintersteckt. Vielleicht sein Fahrer, keine Ahnung. Aber die Sonderkommission hat davon Wind bekommen, und bis Feierabend ging es durch das ganze Department.«
»Wegen ein paar Gerüchten im Department würdest du dich bestimmt nicht so verhalten.«
Er schüttelt den Kopf. »Irgendjemand hat Karen angerufen. Die Frau dieses Detectives, die ich vor ungefähr einem Jahr zur Sau gemacht habe. Sie hat Karen angerufen und hat es so übel aussehen lassen, wie sie nur konnte.«
Mit etwas in dieser Art rechne ich seit Monaten. Jetzt, da es endlich passiert ist, spüre ich eine eigenartige Taubheit in der Brust. »Und?«
»Karen hat mich gestern Abend auf dem Handy angerufen. Sie hat gesagt, ich solle nicht nach Hause kommen.«
»Was hast du getan?«
»Ich habe versucht, mit ihr zu reden.«
»Von Angesicht zu Angesicht? Du bist nach Hause gefahren?«
Er nickt. »Sie wollte mich nicht ins Haus lassen.«
»Du hast einen Schlüssel.«
Sean kichert glucksend, ein Geräusch, dem jeglicher Humor fehlt. »Sie hat die Schlösser austauschen lassen.«
Gut für dich, Karen, denke ich.
»Sie hat einen Schlüsseldienst außerhalb der Ladenzeiten gerufen und jedes verdammte Schloss auswechseln lassen.«
Ich blicke hinüber zum Panoramafenster. Ein schwacherblauer Lichtschein erhellt die Schwärze über dem linken Seeufer. Die Sonne geht bald auf. Ich muss los.
»Hör mal, ich
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