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Bist du mein Kind? (German Edition)

Bist du mein Kind? (German Edition)

Titel: Bist du mein Kind? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilda Laske
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sein.

    Andererseits wird mir schmerzlich bewusst, wie es sein könnte, wenn Maxi noch bei uns wäre. Dann würden immer drei Jungs bei uns sein und mit uns am Tisch sitzen. Und da ist er wieder, der Knoten in mir. Wie haben wir es bloß geschafft, neun Jahre mit dem Verlust unseres Sohnes zu leben?
    Und wie sollen wir das weiter schaffen? Aber wir haben ja bereits Erfahrung im Verdrängen. Nur an Maxis Geburtstag und am Tag seiner Entführung und an Weihnachten und Ostern wird es uns ganz schwer und ich bin tagelang ein Trauerkloß. Aber die anderen Tage geht es ganz gut. Einigermaßen.
    Und nun saßen schon bei zwei Mahlzeiten drei Jungs am Tisch. Ich finde es entsetzlich, dass es mir so deutlich vor Augen gehalten wird, was uns fehlt. Aber es gefällt mir auch gut, dass die drei hier sitzen.
    Wieder sehe ich vor mir, wie Laurent lacht. Und dass er dabei fast ein bisschen wie Leon aussieht.
    Ist schon seltsam, was das Schicksal einem manchmal aufbürdet.

    Nachmittags gegen sechzehn Uhr hole ich die Jungs wieder von der Schule ab. Schon von weitem sehe ich Leon und Laurent über den Schulhof schlendern.
    Sie haben beide die Hände ganz tief in den Hosentaschen und schlendern in einer Gruppe anderer Jugendlicher den Weg zum Parkplatz hinunter. Laurent ist etwas kleiner als Leon, aber sie geben sich beide redlich Mühe, die „coolsten“ zu sein.
    Ich fahre auf den Parkplatz und warte, bis sie eingestiegen sind.
    „Und wie war es heute in der Schule?“
    Laurent, unser kleiner Franzose, antwortet brav auf Englisch. Er habe heute seine Freunde wiedergetroffen und allen gefällt es ganz gut hier. Im Unterricht wäre es schwierig gewesen, zu folgen, weil sie so viel Deutsch nun doch noch nicht können.
    Leon grummelt wie immer etwas, was ich nicht wirklich verstehe, was aber klingt wie: Ich habe jetzt keinen Bock von der Schule zu erzählen.
    Also schweige ich den Rest der Fahrt und beobachte die beiden im Rückspiegel. Sie schauen aus dem Fenster und hängen ihren Gedanken nach.
    Ich überlege, ob wir wohl alles richtig gemacht haben, indem wir unserem Großen einen „Vollzeitbegleiter“ zugemutet haben. Er ist immer so vernünftig, braucht aber oft lange Phasen, in denen er sich in sein Zimmer zurück zieht und einfach nur sich selbst genug ist. Es hat bis heute immer wieder Situationen gegeben, in denen er zu mir kommt und mit mir über Maxi spricht, weil er Angst hat, ihn zu vergessen. Und dann erzähle ich ihm kleine Geschichten aus unserem Leben „davor“. Am Ende sitze ich dann und heule und er tröstet mich. Aber es ist auch schön, weil diese Gespräche nur Leon und mir gehören.
    Timo erinnert sich natürlich nicht an seinen Bruder. Wir haben trotzdem versucht, ihn auch immer wieder an Maxi zu erinnern. Wir haben schließlich Fotos und Videos und erzählen auch ihm, aber wir merken deutlich, dass Timo keinen Bezug zu Maxi findet. Er nimmt es so auf, als würden wir von einem Bekannten erzählen oder Szenen aus einem Film schildern. Letztendlich ist er aber immer zur Stelle, wenn er merkt, dass ich traurig bin und tröstet mich.
    So, da wären wir wieder. Ich parke wie immer vor unserer Garage und die beiden purzeln aus dem Auto. Laurent stolpert über einen kleinen Mauervorsprung und landet fast in unserem Lavendel. Er und Leon lachen sich halb tot. Und wieder sehen sie sich irgendwie so ähnlich.
    Ich versuche mir vorzustellen, wie Maxi jetzt wohl aussähe und stelle mir vor, dass Laurent jetzt einfach Maxi wäre.
    Drinnen angekommen, schmeißen beide ihre Schulrucksäcke in die Diele und lümmeln sich auf die Couch. Ich lasse sie erst mal.
    Timo flitzt aus seinem Zimmer, er hatte bis 13 Uhr Unterricht und hat schon sehnsüchtig die Ankunft der beiden Großen erwartet. Aufgeregt hockt er sich zu Laurent und fragt auf Französisch: „ Wie geht es dir?“ Ich sehe, dass er stolz ist wie Oskar und wie erwartungsvoll er Laurent ansieht.
    Der lacht und antwortet auf Englisch:
    „Mir geht es gut, der Tag war anstrengend, alles neu, aber jetzt ruhe ich mich aus. Toll, dass du so gut französisch sprichst!“
    Timo strahlt und sagt: „Mama, ich glaub er hat mich verstanden“.
    „Aber ja Schatz, das glaube ich auch.“
    Ich halte mich an meine Vorsätze, nie wieder französisch zu reden und spreche konsequent natürlich französisch mit Laurent! Seltsamerweise fällt es mir überhaupt nicht schwer und ich muss immer wieder diesen Jungen aus Frankreich ansehen. Er ist mir so vertraut und ich muss aufpassen,

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