Bist du mein Kind? (German Edition)
im Schulsystem, Essensgewohnheiten, Heimatverbundenheit und natürlich Mädchen.
Es herrscht viel Gelächter am Tisch und alle greifen herzhaft zu.
Nur ich, ich werde immer stiller. Ich kann meine Augen nicht von Maxi lassen. Immerzu sehe ich ihn an und versuche, sein Aussehen in meine Hirnrinde einzubrennen. Dabei habe ich doch Unmengen von Fotos gemacht. Aber ich will auch seinen Geruch und seine Bewegungsabläufe speichern.
Ach was, am liebsten würde ich ihn hier einsperren und nicht wieder weglassen. Ich weiß, ich weiß, es geht nicht.
Schweren Herzens versuche ich, etwas zu essen, aber ich schmecke nichts und nehme auch nicht wahr, dass ich eigentlich nur im Essen herumstochere.
Die Zeit läuft.
Um 21.15 Uhr sollen wir an der Schule sein.
Als das Essen beendet ist, räumen wir alle gemeinsam den Tisch ab und ich räume die Küche auf. Ich muss mich damit einfach ablenken, damit ich nicht sofort anfange zu heulen.
Um 21.00 Uhr bitte ich alle, auf der Couch Platz zu nehmen.
Maxi sieht mich erwartungsvoll an. Ich habe ein Geschenk für ihn in der Hand. Auf Französisch sage ich zu ihm:
„Du warst für uns ein großes Geschenk, deshalb möchte ich dir ein kleines Geschenk machen. Ich danke dir, für die Zeit, die du mit uns verbracht hast und ich wünsche mir, dass du bald wieder zu uns kommst.“
Die Tränen, die aufsteigen, schlucke ich tapfer herunter.
Maxi nimmt das Geschenk und packt es vorsichtig aus. Zum Vorschein kommt ein Karton, auf dem eine digitale Kamera zu sehen ist.
Er ist überwältigt. „Ich kann keine Worte finden“, sagt er und ist wirklich sprachlos.
Bedächtig, ja fast ehrfürchtig packt er die Kamera aus. Natürlich ist es ein sehr hochwertiges Modell von einem namhaften Hersteller, denn ich wollte ihm ja keinen Schrott kaufen.
Mein Blick fällt auf Leon. Ich erschrecke. Mit stinksaurem Gesichtsausdruck starrt er Maxi und die Kamera an.
Ich versuche, ihm mit Blicken verstehen zu geben, dass er sich beherrschen soll. Es gelingt ihm, meinem großen vernünftigen Sohn.
Auf dem Weg zum Auto, natürlich begleiten wir alle Maxi zur Schule, zischt er mir zu:
„Musste das sein? Die gleiche Kamera wie ich habe? Für einen wildfremden? Nur weil du glaubst, dass er Maxi sein könnte?“
„Schatz, lass uns später drüber reden, bitte ja?“
Gequält sehe ich an. Er erkennt wohl, dass ich wirklich leide und legt seinen Arm um mich.
Natürlich kommen wir viel zu spät an der Schule an, aber wir sind noch nicht die Letzten. Na prima, klappt ja alles bestens.
Wir verabschieden uns von Maxi. Und da wir wissen, dass er Berührungen nicht mag, schütteln wir ihm nur die Hand. Als er sich umdreht und zum Bus geht, sacken mir fast die Knie weg.
In mir schreit alles nein. Bleib!
Wolfgang legt seinen Arm um meine Taille und presst mich an ihn. So hält er mich und ich brauche nicht umfallen.
Außerdem sind ja nun jede Menge andere Leute an der Schule und ich muss mal wieder das tun, was ich am besten kann: Verdrängen und mich zusammen reißen.
Ich sehe, wie Maxi in den Bus einsteigt und sich neben seinen Freund setzt.
„Können wir bitte jetzt nach Hause fahren?“ frage ich Wolfgang. „Ich kann nicht mehr“.
„Liebling, was soll er denken, wenn wir uns jetzt umdrehen und kehrt machen? Die paar Minuten schaffen wir noch.“
Er hat ja Recht. Aber ich kann nichts mehr um mich herum wahrnehmen. Alles ist wie in einem Nebelschleier verborgen. Ich sehe nur Maxi ganz klar im Bus sitzen.
Endlich, endlich fährt dieses Ungetüm los.
Brav lächeln, winken, mit den anderen Familien scherzen und endlich sitzen wir wieder im Auto auf dem Weg nach Hause.
Hemmungslos schluchze ich vor mich hin. Ich kann es nicht unterdrücken und mich nicht beherrschen. Timo fragt irritiert: „Mama, ist alles ok?“
Bevor ich etwas sagen kann, antwortet Wolfgang für mich:
„Lasst Mama mal in Ruhe, wir werden zuhause eine Erklärung dafür liefern.“
Fünf Minuten später halten wir vor unserer Haustür. Ich stürze den Weg entlang und will nur noch in mein Bett.
Ich höre Wortfetzen aus dem Wohnzimmer, Leons laute erregte Stimme, Wolfgangs ruhige und Timo höre ich gar nicht. Aber es ist mir egal.
Ich kann nur heulen.
Sonst nichts.
2010 TAG 9 Zuhause
Am nächsten Morgen wache ich verwundert auf. Ich muss wohl irgendwann nach dem Heulen eingeschlafen sein. Ich liege mit voller Montur im Bett. Neben mir liegt Wolfgang und sieht mich an.
Ich habe Schwierigkeiten, die Augen zu
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