Bist du mein Kind? (German Edition)
nicht machen, das denke und weiß ich. Ich bin durcheinander und glücklich und ängstlich und gereizt. Und wenn du immer Sachen in mich hinein interpretierst, bin ich gereizt.“
„Chérie, ich interpretiere nicht, ich weiß, was mit dir ist. Weißt du immer noch nicht, dass wir miteinander verbunden sind? Selbst wenn du mich nicht so lieben kannst, wie ich dich, bleiben wir eine Einheit. Eine halbe und eine halbe Seele, die zu einer geworden sind.
Wie du dich fühlst kann ich gut verstehen. Aber wir müssen vernünftig sein, damit Laurent nicht völlig fertig ist. Wenn ich euch am Samstag vom Flughafen abhole, werden wir erst einen Kaffee trinken gehen, mit ein paar von meinen Leuten und besprechen, wie es weiter geht.
Bist du einverstanden?“
„Aber ja, ich bin dankbar für jede Hilfe. Ich weiß ja gar nicht, was mich erwartet und ob ich das überhaupt durchstehe. Bleibt ihr denn während der Woche in unserer Nähe oder fahrt ihr wieder?“
„Glaubst du, Chérie, dass ich dich verlassen könnte, wenn ich weiß, dass du in Frankreich bist? Ich habe dich so lange nicht gesehen. Ich muss bei dir bleiben.
Aber das Team bleibt auch da. Wir haben uns in einer Pension eingemietet, alle zusammen und bleiben da am Ball. Es ist auch ein Psychologe im Spiel, der euch berät und notfalls auch für die Familie von Laurent da ist.“
Wie das für mich klingt: die Familie von Laurent.
WIR sind seine Familie. Niemand sonst. Aber das weiß er nicht. Er kennt nur seine französischen Leute.
„Ach Jean-Marie, ich weiß gar nicht was ich denken soll. Ich war noch nie in meinem Leben so durcheinander. Jetzt kommt mir das Ganze plötzlich so unwirklich vor. Ich halte es vor Sehnsucht nach Maxi kaum aus. Aber ich habe auch Angst davor. Eigentlich will ich ihn nur in den Arm nehmen und ihm sagen, dass er mein Sohn ist. Dass wir ihn verzweifelt gesucht haben und dass wir so glücklich sind, ihn wieder zu haben. Aber er erinnert sich ja nicht mal an uns.
Wie soll ich ihm da solch einen Schock zumuten?“
„Gar nicht, Monique, gar nicht. Wir müssen das vorsichtig angehen. Warte, bis ihr hier seid, dann sehen wir weiter. Sicher müsst ihr einiges situativ entscheiden, weil ihr viele Dinge nicht vorher sehen könnt. Aber wir sind da. Jeden Moment werden wir euch unterstützen.
Und ich freue mich so sehr auf dich. Ich kann es kaum erwarten.“
„Bitte, Jean-Marie, nicht. Im Moment bin ich sehr weich und offen. Sag mir nicht solche Dinge. Ich kann da gerade nicht gut mit umgehen. Ich habe die letzten neun Jahre viel zu oft an dich gedacht. Immer und immer wieder. Es sind mir viele Gedanken durch den Kopf gegangen, zum Beispiel, was wäre, wenn wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt hätten oder in einem anderen Leben. Aber ich habe es nicht zu Ende gedacht. Es tut weh. Weil ich sehr viel für dich empfinde, mehr als uns allen gut tut.
Wolfgang war die letzten Jahre immer an meiner Seite. Er ist komplett anders als du. Ich habe mit ihm nicht diese geistige Verbindung, die ich zu dir habe. Er kann sich auch nicht so gut in mich hinein fühlen, wie du es tust. Aber er ist mein Mann. Wir haben diese ganze schreckliche Geschichte gemeinsam durchgestanden.“
Er fällt mir ins Wort: „Du wiederholst dich. Ich weiß das alles. Du hast Recht. Er ist dein Mann, alles war schrecklich und ist es noch immer. Wärst du noch bei ihm, wenn das mit Maxi nicht passiert wäre?“
„Ach, Jean-Marie, mein Herz, woher soll ich das wissen? Diese Frage kann ich nicht beantworten“.
„Allein das ist mir Beweis genug. Ich freue mich auf dich, wie ich mich schon lange nicht mehr gefreut habe. Diese ganzen Frauengeschichten, die sich durch mein Leben ziehen, sind nichts wert. Ich kann mich an niemanden binden.
Ich werde deine Situation respektieren und dir nicht zu nahe treten. Aber ich kann in deiner Nähe sein. Das ist mir genug.“
Ich schmelze am Telefon dahin, aber gleichzeitig habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen Wolfgang gegenüber. Obwohl doch nichts passiert ist. Aber kann man etwas für seine Gefühle? Die hat man doch nicht absichtlich. Sie überfallen einen einfach im ungünstigsten Moment. Wenn man sie nicht gebrauchen kann. Ich habe doch nicht Jean-Marie gesehen und gedacht, nun kommt mal ihr Gefühle!
„Jean-Marie, ich lege jetzt auf. Ich freue mich auch auf dich!“ Den letzten Satz habe ich sehr leise gesprochen. Ich höre ihn lachen und dann macht es klick und die Verbindung ist beendet.
2010 Juli Und
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