Bist du mein Kind? (German Edition)
lieben, dann ist das für immer. Egal was passiert.“
Ich schweige. Was soll ich ihm sagen?
Dass ich ihn auch liebe, wie soll ich ihm das klarmachen, dass ich trotzdem bei Wolfgang bleibe? Auch Wolfgang liebe ich. Kann man zwei Menschen gleichzeitig lieben?
Was soll ich ihm sagen?
Ich hole tief Luft und antworte ihm:
„Ich weiß das alles sehr zu schätzen. Auch ich denke viel an dich. Es ist sicher nicht gut, dass du so mit deiner Liebe an mir hängenbleibst, weil du niemals frei sein wirst für eine andere Frau. Du klammerst dich an mich, wohl wissend, dass wir nie zusammen sein können. Du hast mir dein Herz zu Füßen gelegt und ich konnte es nicht annehmen. Außerdem bin ich auch eine sehr verstörte Frau, nach allem, was geschehen ist. Ich wäre ein harter Brocken. Wolfgang kennt mich so lange und wir haben das Grauen gemeinsam durchlebt. Fast wäre unsere Ehe daran zerbrochen, aber wir haben uns wieder zusammengerauft. So ist die Lage der Dinge.“
Ich höre ihn atmen. Dann fragt er:
„Liebst du Wolfgang?“
Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Die Frage habe ich mir seit langem nicht mehr gestellt.
Weil wir unser Leben haben. Und in unserer Situation hinterfragt man seine Gefühle nicht. Wir gehören einfach zusammen, mit all dem, was wir erlebt haben und was passiert ist und was jetzt wieder passiert. Ob ich Wolfgang liebe? Ich weiß es nicht.
„Du antwortest nicht, Chérie. Was hat das zu bedeuten?“
Gerade, als ich antworten will, stellt er mir die nächste Frage:
„Liebst du mich?“
Jetzt weiß ich wirklich nicht mehr weiter. Meine Hände sind schweißnass. Mir wird es abwechselnd heiß und kalt. Ich muss antworten, schießt es durch meinen Kopf. Ich muss unbedingt sofort antworten.
Und wieder ist er schneller:
„Du hast bei beiden Fragen nicht geantwortet. Wenn du dir deiner Gefühle sicher wärst, hätten deine Antworten schnell und präzise kommen müssen. Ist bei beiden Fragen nicht geschehen. Ich weiß das schon zu deuten. Ich bin glücklich!“
Jetzt antworte ich sofort:
„So geht das nicht, du nutzt meine Lage aus. Du kannst dir doch denken, dass ich im Moment nicht ganz bei mir bin. Und dann stellst du mir so dämliche Fragen, über die ich erstmal nachdenken muss. Und erwartest sofort Antworten. Ich dachte, du bist mein Freund und willst mir helfen. Stattdessen bringst du mich durcheinander. Was soll ich dir denn antworten? Was erwartest du?“
„Ich liebe dich Monique. Ich melde mich, wenn ich weiß, wann ihr das Haus mieten könnt.“
Und dann besitzt er die Frechheit, einfach aufzulegen. Das darf doch nicht wahr sein. Als ich aufstehe, um das Telefon auf die Ladestation zu bringen, höre ich, dass sich die Schlafzimmertür leise schließt. Mir stockt der Atem. Wie viel hat Wolfgang von diesem Gespräch mitbekommen? Wie viel reimt er sich zusammen?
Ich bin erschöpft und mag nicht weiter darüber nachdenken.
Später krieche ich zurück ins Bett und erzähle Wolfgang, was Jean-Marie über das Ferienhaus gesagt hat und wie er gedenkt, vorzugehen. Er hält das für eine gute Idee und ist der gleichen Meinung.
Also warten wir wieder einmal, bis wir aus Frankreich hören.
2010 Mai Die Zeit kriecht
Zwei Tage später geht das Telefon. Wolfgang nimmt das Gespräch an. Als er geendet hat, sagt er zu mir:
„Das war Jean-Marie. Er hat für uns diese alte Schule in La Chataigneraie gebucht. Wenn wir aus Italien kommen, sind wir noch drei Tage hier und dann fliegen wir nach Nantes. Dort holt er uns mit einem Leihwagen ab, den wir dann die ganze Woche behalten. Wir werden als Urlauber und Gäste von Laurents Eltern auftreten und dann sehen wir weiter.“
Dankbar sehe ich ihn an. Ich bin froh, dass ich nicht wieder mit Jean-Marie sprechen musste. Mein ganzes Gefühlsleben ist so durcheinander, dass ich seine Liebesschwüre im Moment nicht mehr ertragen kann.
Noch zehn Wochen, dann fahren wir nach Frankreich.
Zehn Wochen, die es gilt, ein halbwegs normales Leben zu führen.
Zehn Wochen, in denen ich meine Gefühle unterdrücken muss.
Zehn Wochen, die ich aushalten muss.
Zehn Wochen bis ich meinen Sohn wieder sehe.
Von heute an werde ich jeden Morgen in Gedanken ein Kalenderblatt abreißen.
2010 Juli Blick nach vorn
6. Juli 2010. Wir fahren nach Italien. Alles ist gepackt, die Kinder haben ihren Kram für unterwegs bereitgestellt. Sechs Uhr morgens, wir fahren los.
Jetzt heißt es noch, diese zwei Wochen Urlaub zu überstehen. Meine Drei freuen sich
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