Bist du mein Kind? (German Edition)
um alles übers Knie zu brechen“, fasst Wolfgang zusammen.
„Ich habe gesagt, dass sie den Zeitpunkt wählen sollen, um ihm zu sagen, dass sie ihn adoptiert haben. Und danach bestimmen sie, wie es weiter geht. Ich habe aber auch gesagt, dass es uns wichtig ist, einen ungefähren Zeitrahmen zu haben, damit sich das nicht alles endlos hinzieht“.
Auguste nickt.
Ich denke einen Moment nach und richte mich an Claude und Isabelle:
„Ich gehe davon aus, dass Geraldine inzwischen Bescheid wie?“
Geraldine nickt mir zu:
„Ich hatte immer mal zwischendurch so ein seltsames Gefühl. Manchmal dachte ich, dass wir uns nicht wirklich ähnlich sind und manchmal wieder doch. Aber ich konnte das nicht näher erklären. Aber es ist egal, er ist trotzdem mein kleiner Bruder. Und er wird es immer bleiben“.
„Du bist ein wunderbares Mädchen, ah nein, eine wunderbare junge Frau. Ich danke dir, dass du so eine tolle Einstellung hast.
Dann reden wir am besten ganz offen miteinander und verschweigen nichts.
„Ich möchte, dass es so schonend wie möglich für Laurent geht. Da er seit über neun Jahren bei Ihnen lebt, kennen Sie ihn besser als wir.
Wir wissen lediglich, wie er als kleines Kind war, aber Sie wissen, wie er heute ist, wie er seine Pubertät durchlebt und welche Emotionen er hat und welche Belastungen er verkraften kann. Deshalb fällt Ihnen die, zugegebenermaßen unangenehme, Aufgabe zu, ihn aufzuklären.
Und da müssen Sie den Zeitpunkt und das Tempo bestimmen. Trotzdem würde ich gerne einschätzen können, über welchen Zeitraum wir hier reden. Denken Sie, man kann vielleicht ein Jahr ins Auge fassen? Oder mehr? Nur damit ich ein Gefühl habe, wie lange. Ich will Sie damit auf gar keinen Fall unter Druck setzen.“
Die ganze Zeit hat Auguste für Wolfgang simultan übersetzt. Nun schaue ich meinen Mann an und er nickt zustimmend. So schlecht kann unsere Ehe gar nicht sein, wenn wir uns ohne Worte verstehen.
Ohne Worte? Monika, du hast gerade einen Vortrag mit sehr vielen Worten gehalten!
Nach einigem Zögern antwortet Claude:
„Ich denke, dass wir das schaffen. Es ist möglich. Wir müssen nur immer aufpassen, wie es Laurent dabei geht. Aber machbar ist es. Auguste würden Sie uns zur Seite stehen?
Wir möchten niemanden von hier hinzuziehen, weil es uns zu persönlich erscheint. Und wie schnell spricht sich so etwas herum? Dann brodelt die Gerüchteküche und ob das gut wäre für Laurent, wage ich zu bezweifeln. Aber wir haben keine Idee und uns fehlt auch der Mut, wie wir es ihm sagen sollen. Immer wieder haben wir nach einem geeigneten Zeitpunkt gesucht. Aber den gibt es wohl nicht. Nur jetzt, mit dieser neuen Situation wird es noch schwieriger und wir brauchen dringend Ihre Hilfe.“
Ich sehe Claude an und stimme ihm zu.
„Selbstverständlich haben Sie meine volle Unterstützung. Das versteht sich von selbst. Ich werde mir meine Zeit einteilen und werde abrufbar sein, wenn Sie mich brauchen. Oder wenn Laurent mich braucht“. Auguste erscheint mir plötzlich sehr ernst und seriös.
Einen Moment lang herrscht wieder Schweigen.
Leise fragt Wolfgang Claude und Isabelle:
„Wollen Sie uns erzählen, unter welchen Umständen Sie ihn gefunden haben?“
Mich springt das so an, schlagartig ist der Knoten da, dick und fest sitzt er in meiner Kehle.
Auguste sieht mir das wohl an, denn er springt ein und übersetzt für ihn.
Claude und Isabelle sehen sich an. Claude nickt und Isabelle fängt an zu erzählen:
„Wir sind früher immer mit einer französischen Hilfsorganisation in den Ostblock gefahren und haben uns dort um Kinder gekümmert, die von Prostituierten in Kinderheimen abgegeben wurden. Zunehmend landeten in diesen Kinderheimen aber auch andere Kinder: solche von der Straße, oder Kinder, die von ihren Eltern einfach nicht gewollt wurden. Auch Kinder, deren Eltern schlicht und einfach zu arm waren, um sie alle durchzubringen. Und immer weniger Geld floss von dieser Hilfsorganisation, sodass finanzielle Hilfe kaum noch möglich war.
Wir haben dann einen eigenen Verein gegründet und Sachspenden gesammelt, die wir dann persönlich dorthin gefahren haben, wo sie am meisten gebraucht wurden. Später haben wir auch Spenden bekommen, erst hier aus der Region und dann noch später auch aus ganz Frankreich. Dieses Geld haben wir dann einem treuhänderischen Verwalter übergeben und das ist dann auch später wieder verteilt worden.
Im September 2001 waren wir wieder in Rumänien. In
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