Bist du mein Kind? (German Edition)
gehen? Selbst nach den Geburten, die wirklich anstrengend waren, habe ich geduscht und mich schnell wieder „aufgebrezelt“.
„Ok, ich gehe ins Bad“. Mit diesen Worten drücke ich ihm das Handtuch in die Hand und marschiere Richtung Schlafzimmer. Ein bisschen Auffrischung der Auffrischung könnte nicht schaden, dann fühle ich mich vielleicht nicht mehr so elend.
Als ich das fertige Werk betrachte, schweifen meine Gedanken zu Maxi. Er hat mir immer gerne beim Schminken zugesehen und sich gewundert, warum wir Frauen Buntstifte für unser Gesicht brauchen.
Ich spüre wieder die Verzweiflung. Ich raffe alle Sachen zusammen und bringe sie ins Schlafzimmer.
Als ich wieder rauskomme, klingelt ein Handy. Der Klingelton ist mir fremd. Also keins von unseren.
Jean fischt seins aus der Hosentasche.
„Allô!“.Er hört konzentriert zu. Ich halte die Spannung kaum aus. Wolfgang steht in der Küche, in der Bewegung erstarrt. Er hält eine gespülte Tasse in der Hand, die er wohl gerade in den Schrank stellen wollte.
Das Gespräch dauert und dauert. Endlich legt Jean auf.
Er schluckt. Und räuspert sich. Als müsse er erst die richtigen Worte finden.
„Also, an dem Eiswagen gibt es keine Spur von Maxi. Nur die blaue Jacke. Allerdings gibt es Zeugen.
Die haben gesehen, wie ein Mann aus dem Eiswagen gestiegen ist. Dann ist er nach hinten an die Tür gegangen und hat diese geöffnet. Heraus kam ein zweiter Mann. Dieser hat zwei Kinder vor sich her geschoben. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis ein schwarzes Auto kam und in dieses sind dann alle eingestiegen. Ein Zeuge hat versucht, ein Video mit seinem Handy zu machen, aber die Entfernung war zu groß.“
Ich schlage meine Hand vor den Mund. Maxi lebt. Und noch ein anderes Kind. Was hat das zu bedeuten? Wolfgang bewegt sich immer noch nicht.
„Wird noch ein Kind vermisst?“ fragt er Jean.
„Phillipe versucht gerade, das heraus zu bekommen. Er meldet sich, sobald er mehr weiß.“
Die beiden Polizisten mucken sich nicht.
„Können wir noch mit einem Anruf der Entführer rechnen?“ frage ich und halte die Luft an. Ich habe Angst vor der Antwort.
„Es ist fast Mittag und die üblichen vierundzwanzig Stunden sind fast um. Ich weiß es nicht“, antwortet Jean.
„Ich muss rüber in die Zentrale. Einiges anleiern.“
Zentrale? Ach, er meint das NASA-Hauptquartier unter der Erde. Ich will ihm nicht folgen.
Er steht auf und geht.
Zurück bleiben ein völlig verstörtes Elternpaar, zwei unfreundliche Polizisten und zwei spielende Kinder.
Nach dem Mittagessen, das wir versucht haben, einigermaßen normal zu überstehen, lege ich Timo in sein Bett zum Schlafen. Die beiden Polizisten haben unsere Einladung zum Essen abgelehnt.
„Ich gehe mal ein bisschen mit Leon in den Hof. Die frische Luft wird ihm gut tun“, sage ich zu Wolfgang. „Ich bin ja in der Nähe, wenn sich was tut. Aber hier drin habe ich das Gefühl, als würde ich wahnsinnig.“
„Geh‘ nur, ich bleibe hier“, antwortet er. Sein Ton soll fest und stark klingen, aber ich höre trotzdem das Zittern in seiner Stimme. Kurz drücke ich seine Hand und wende mich Leon zu.
„Komm Schatz, wir beide gehen ein wenig raus an die frische Luft.“.
„Ja, Mama und ich zeige dir mal alles“, ruft er begeistert.
Er nimmt mich an die Hand und zieht mich hinaus. In diesem Moment wird mir schlagartig klar, dass ich gar nicht die Wahl habe, ob ich einen Nervenzusammenbruch erleiden kann oder nicht. Ich habe noch zwei kleine Kinder, die mich dringend brauchen. Also muss ich irgendwie meinen Kummer auf den Abend verschieben und tagsüber für meine Kinder da sein.
Er zieht mich Richtung Teich.
„Mama, hier sind kleine Entenküken, die sind noch ganz klein und können aber schon schwimmen. Das ist praktisch oder? So brauchen sie keinen Schwimmunterricht, wie ich letztes Jahr. Und das Seepferdchen müssen sie auch nicht machen. Und die Entenmutter hat auch gar keine Angst, dass sie ertrinken, ach ich möchte auch ein Entenküken sein. Dann könnte ich schwimmen und später fliegen und alle Leute würden mir Brot geben!“
Ich höre ihn plappern, aber seine Worte kommen gar nicht so richtig in meinem Kopf an, weil ich schon wieder an Maxi denke.
So geht es weiter über den Hof, durch alle Ställe und alle Schlupfwinkel, die die Kinder bisher kennen gelernt haben.
Als wir an dem Stall vorbeikommen, in dem die Hängebauchschweine untergebracht sind, kommen endlich Leons Worte bei mir an:
„Hier
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