Bist du mein Kind? (German Edition)
Haferflocken vermischt und das ganze mit Milch aufgegossen. „Mama, Marie weiß, wie Bananenpampe geht!“ ruft Leon und strahlt mich an.
Als Marie fragend zu Jean blickt, übersetzt er.
Das Wort Bananenpampe klingt bei ihm wie Bononepomp. Leon muss kichern.
„In Wirklichkeit hat Leon mir erklärt, wie man dieses Frühstück macht. So etwas kennen wir hier in Frankreich nicht“, sagt sie zu mir und hält Leon den Teller hin. Er nimmt ihn und löffelt los.
„Ein Croissant hatte ich auch schon“, nuschelt er mit vollem Mund.
„Mir gefällt es hier gut“.
Ach du mein kleiner Sohn. Ich wünsche dir, dass du so unbekümmert bleibst. Aber bestimmt fällt dir irgendwann auch wieder ein, warum diese ganzen Menschen hier sind. Ich will versuchen, dich dann aufzufangen.
Einen Menschen kann ich sicher nicht auffangen und das ist mein Mann.
Wenn ich ihn ansehe, erkenne ich genau, wie sehr er leidet. Und ich weiß auch, was in ihm vorgeht. Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Gespräche, die sich um seine Beziehung zu seinen Kindern drehten. Letztendlich war ich oft der Meinung, dass er sich nicht genug um seine Kinder kümmert. Allerdings ist er in seinem Beruf auch sehr eingespannt, da er auf selbständiger Basis arbeitet. Dann kann man nicht einfach einen Kunden sitzen lassen, mitten in der Programmierung und sich zu seinen Kindern flüchten.
Ich verstehe das auch. Allerdings hat er dann, wenn er zuhause ist, auch oft keinen Nerv, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Und genau das halte ich ihm vor. Natürlich ist er anderer Meinung. Trotzdem hatte er sich für diesen Urlaub viel vorgenommen. Er wollte viel Zeit mit den Kindern verbringen und ihnen viel Aufmerksamkeit schenken.
Und nun bricht diese Katastrophe über uns herein. Aber ich kann ihn nicht stützen. Ich weiß selber kaum, wie ich damit klarkommen soll. Dann habe ich noch Timo und Leon und sie brauchen mich wirklich. Also bleibt nichts mehr übrig für Wolfgang.
Ich gehe zu ihm und lege meine Hand auf seine Schulter. Gleichzeitig suche ich Jean-Marie. Er ist nicht da.
Inspektor Leroc telefoniert. Er spricht so schnell, dass ich kein Wort verstehe. Als er auflegt, hat er einen seltsamen Blick. Dieser trifft mich.
„Jean-Maries Leute haben den Eiswagen gefunden“, stößt er hervor. „Ich muss los.“
Mein Herz tut weh, mein Magen verkrampft sich.
„Ich gehe mit, bitte lassen Sie mich nicht hier!“ rufe ich hinter ihm her.
Aber er ist schon zur Tür ‘raus. Verzweifelt sehe ich Wolfgang an.
„Lauf!“ formt sein Mund lautlos.
Und ich renne los. Am Auto erreiche ich Phillipe.
Als er mich hört, dreht er sich um.
„Non, Sie kommen nicht mit, das ist reine Polizeiarbeit. Wir müssen die Spurensicherung alarmieren. Womöglich zerstören Sie noch Spuren. Bitte bleiben Sie hier.“
Er hat den Satz noch nicht ganz beendet, als er schon im Auto sitzt und den Motor anlässt. Ich sehe dem Auto hinterher. Tausend Gedanken schießen durch meinen Kopf. Was ist, wenn Maxi in dem Eiswagen ist? Er wird Angst haben, wenn so viele französische Menschen kommen. Er versteht sie doch nicht!
So schnell ich kann, laufe ich zurück zu Jean in die Küche. „Wo haben sie den Eiswagen gefunden? Du weißt das doch sicher? Sag es mir, ich will da hin. Vielleicht ist Maxi ja dort.“
Er zieht sein Handy aus der Tasche und wählt eine Nummer. Ich höre ihn reden, aber auch so schnell, dass ich wieder kein Wort verstehe. Als er endet, kann ich kaum abwarten, was er zu sagen hat.
„Ich habe mit Jean-Marie gesprochen, Maxi ist nicht in dem Wagen. Sie haben nur eine dunkelblaue Jacke gefunden.
Die Polizei hat das ganze Gebiet abgeriegelt. Du könntest jetzt sowieso nicht dorthin. Sie durchkämmen gerade alles. Jean-Marie ist mit dem Hubschrauber und Wärmebildkamera unterwegs. Habe Geduld.“
Die letzten beiden Worte klingen sehr sanft. Aber ich kann seinem Blick nicht standhalten.
In diesem Moment kräht Timo los. Er hatte bisher auf Wolfgangs Schoß gesessen und auch eine Bananenpampe gegessen. Wolfgang hat seinen Rest verschlungen und sieht jetzt ganz müde aus. Wie kann dieser Mann in so einer Situation nur essen?
Geduld, wie soll ich die haben. Diese Charaktereigenschaft ist bei mir schon immer am schwächsten ausgeprägt. Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Mein häufigstes Wort ist „Sofort“. Und jetzt soll ich Geduld haben, wo es um meinen kleinen Sohn geht? Wie soll das funktionieren?
Es klopft. Zwei Männer stehen vor der
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