Bist du mein Kind? (German Edition)
jauchzen.
Als Wolfgang mich bemerkt, springt er auf.
„Schatz, du solltest doch liegen bleiben. Der Arzt hat gesagt, dass du mindestens 24 Stunden schlafen würdest nach der Spritze. Ich habe die Kinder nach draußen gebracht, weil das Wetter so schön ist und damit sie ein bisschen frische Luft bekommen. Frederic ist gerade unten, aber er kommt gleich zurück.“
Ich schiebe mich auf die Bank, weil mir schwindelig wird. Spritze? Schlafen? Kinder? Schönes Wetter?
„Was ist hier los? Wieso Arzt und wieso 24 Stunden Schlaf? Gibt es etwas Neues von Maxi?“
Wolfgang sieht mich an. Er sieht nicht mehr so grau aus.
„Schatz, du bist gestern im Kinderzimmer einfach umgefallen. Wir haben ein Poltern gehört und haben dich vor Maxis Bett mit seinem Schlafanzug gefunden. Du wolltest den Schlafanzug nicht loslassen und bist wieder ohnmächtig geworden. Wir haben dann einen Arzt geholt. Der hat einen Kreislaufkollaps festgestellt und dir zwei Spritzen gegeben. Eine für den Blutdruck und die andere zum Schlafen. Wir haben dich dann ins Bett gepackt. Frederic und ich haben dann mit den Kindern gegessen und sind danach auch ins Bett. Es tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht mehr wach bleiben. Ich war so erschöpft und kaum habe ich gelegen, war ich auch schon im Tiefschlaf. Heute Morgen bin ich aufgewacht und habe mit den Kindern und Frederic gefrühstückt. Und nun sind wir hier draußen. Das ist alles. Es gibt nichts Neues. Es tut mir leid.“
Die letzten Worte kommen sehr leise.
Erst jetzt bemerke ich, dass ich im Slip und T-Shirt auf der Bank sitze.
„Liebling, es ist alles gut. Du hast gestern einfach grässlich ausgesehen und es ist gut, dass du geschlafen hast. Ich fühle mich auch besser. Ich habe das Gefühl, dass mein Kopf wieder denken kann. Hast du mal den Computer benutzt und versucht, etwas heraus zu finden über all diese Menschen?“
„Nein, ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, weil ich mich um die Kinder gekümmert habe. Wenn Frederic gleich zurückkommt, werde ich das mal angehen“.
Ich küsse ihn und beschließe, zu duschen.
Nach einer halben Stunde komme ich einigermaßen gesellschaftsfähig wieder zurück. Wolfgang sitzt immer noch auf der Bank. Vor ihm auf dem Tisch steht der Rechner. Wolfgang tippt und liest. Ich gehe wieder rein, um mir einen Kaffee zu holen. Mit viel heißer Milch. Und Croissants liegen auf dem Tisch. Ich angele mir eins und gehe wieder zu Wolfgang. „Hast du was gefunden?“ frage ich ihn, während ich mich setze. Er schüttelt den Kopf.
„Alles auf französisch. Ich verstehe das ja alles nicht.“
Ich rücke näher an ihn heran.
„Was hast du denn eingegeben?“
„Kindesentführung in Le Guerno.“
„Ok, lass mich mal lesen.“
Es sind ungefähr 600 Artikel bei Google nachzulesen. Ich fange mit dem Obersten an. Nach aufmerksamen Durchlesen weiß ich auch nicht mehr als vorher. Der Artikel enthält nur die sachliche Schilderung der Entführung und dass Inspektor Leroc den Fall übernommen hat.
Also weiter zum nächsten. Nichts.
Ich gebe bei Suchfunktionein: „Entführung in Le Guerno Phillipe Leorc“
2000 Seiten. Na wunderbar. Also los. Artikel Nummer eins.
Wieder die Schilderung, was passiert ist. Dann eine genaue Personenbeschreibung von Phillipe Leroc und seiner Tätigkeit. Und hier wird es interessant.
Phillipe wurde in einem kleinen Dorf in Aquitanien geboren. Das Dorf hatte ungefähr vierhundert Einwohner und war eigentlich ein Kaff, in dem nichts passiert. Als er vier Jahre alt war, kam eine Truppe sogenannter fliegender Händler durch den Ort. Sie bezogen für einige Tage Quartier auf einem Bauernhof. Die Wohnwagen und Verkaufswagen, die sie hatten, faszinierten den kleinen Phillipe so, dass er sich immer in deren Nähe aufhielt. Als das fahrende Volk vier Tage später weiterzog, nahmen sie ihn einfach mit. Er war vier Wochen mit ihnen unterwegs und hat wohl Höllenqualen gelitten. Das kann man aber nur vermuten. Als die Polizei ihn endlich aufgespürt und wieder nach Hause brachte, sprach er kein Wort. Über zwei Jahre nicht. Viele Ärzte und Psychologen waren in seine „Heilung“ eingebunden, doch sie haben irgendwann aufgegeben. Nach über zwei Jahren sagte er plötzlich und vollkommen aus der Luft: “Ich gehe jetzt in die Schule und danach werde ich Polizist. Und dann wird nie mehr jemand einfach ein Kind mitnehmen“.
So ist es dann gewesen.
Als ich Wolfgang den Artikel übersetze, haben wir beide Gänsehaut.
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