Bist du mein Kind? (German Edition)
Gefühlen. Momentan muss ich die Angst und die Sorge um mein Kind verdrängen, weil das Gedanken sind, die mich wahnsinnig machen würden, wenn ich sie zuließe.
Die ohnmächtige Wut gegen meinen Mann kann ich jetzt nicht auch noch verdrängen.
Nun ist es an der Zeit, dass ich auch etwas sage.
„Ich gehe nicht auf Verbrecherjagd oder spiele Geheimagent. Ich will nur vor Ort sein, wenn sie Maxi finden. Und dann will ich bei ihm sein. Sonst nichts. Weder will ich dafür sorgen, dass irgendwelche Drahtzieher gefangen werden, noch irgendwelche Regierungsmenschen in irgendwelchen Gefängnissen landen. Ich will nur unseren Sohn. Es wird für mich keine gefährlichen Situationen geben, da ich mich genau an alle Anweisungen halten werde.“
Gut, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, dass daraus nichts wird.
Nach dem Essen überlege ich, was ich wohl mitnehmen soll. Sicherlich neue Kleidung für Maxi und vielleicht seinen Geier. Das ist ein Plüschtier, welches wir ihm gekauft haben, als Timo unterwegs war. Er fand, dass Geier in der Wirklichkeit ziemlich hässlich seien und dass man gerade deswegen auch solche Tiere mögen muss. Als wir dann Möbel für Timos Zimmer kaufen wollten, entdeckten wir im Möbelgeschäft diesen Geier. Maxi wollte ihn unbedingt haben, weil es ihm ja nicht möglich war, einen echten Geier zu halten. Und eigentlich ist auf Urlaubsreisen der Geier immer dabei. Also werde ich ihn mitnehmen.
Im Schlafzimmer packe ich alles aufs Bett:
Jeans mit vielen Taschen. Unterhemd, T-Shirt, Sweatshirtjacke. Feste Schuhe. Lippenpflegestift. Feuchtigkeitscreme. Die kann ich für Gesicht und Hände benutzen. Papiertaschentücher. Eine Reisepackung mit Feuchttüchern. Socken von Wolfgang, da ich selber keine besitze. Desinfektionsmittel, Pflaster, kleine Schere, Schmerztabletten. 2 kleine Flaschen Mineralwasser. Stoffgeier.
Jetzt muss ich ins Kinderzimmer. Maxis Sachen holen. Ich atme tief durch und versuche, nicht an mein Kind zu denken. Wo er wohl im Moment ist. Was ihm gerade passiert. Ob er weint oder still ist. Und schon ist es zu spät. Ich heule, kaum, dass ich das Zimmer betrete.
Sein Bett steht immer noch zerwühlt da. Ich lege mich hinein und heule. Ohne, dass ich irgendetwas denke, tauchen Bilder vor meinem Inneren auf. Maxi als Baby. Maxi isst mit Bedacht sein erstes Frühstücksei. Maxi legt sein Ohr auf meinen dicken Bauch, um Timo zu hören. Maxi legt alles für den Urlaub bereit, was mit soll. Maxi läuft zum Tor, weil er den Eiswagen hört.
Wolfgang läuft, ich schreie. Ich heule noch mehr.
Vielleicht kann ich nochmal so eine Spritze haben. Stopp, stopp, stopp. Keine Spritze, kein Heulen, Monika. Kraft, Stärke, Mut und Vertrauen sind meine Worte. Ich fahre mit, mein Kind retten. Dieser Satz wird mein Mantra. Ich fahre mit, mein Kind retten. Ich suche seine Klamotten raus und halte sie fest in der Hand. Ich fahre mit, mein Kind retten.
Ab ins Bad. Gesicht waschen, eincremen, Wimperntusche, wasserfest. Haare föhnen. Fertig.
Klopapier muss mit. Eine Rolle unter den Arm geklemmt und aufs Bett gelegt.
Ich ziehe die Klamotten an, die ich bereit gelegt hatte. Der Rest passt locker in meinen Rucksack. Was brauche ich noch? Portemonnaie und Handy. Hab ich. So, ich bin bereit. Meinetwegen kann es losgehen.
Zurück im Wohnzimmer gehe ich zu meinen Kindern. Timo krabbelt zu mir und Leon sieht mich lange an.
„Mama, du lässt uns doch nicht lange alleine, oder?“ Bang sieht sein kleines Gesicht aus.
„Nein Schatz, ich hoffe, dass ich schnell zurück bin. Aber ich kann das nicht beeinflussen, weil ich ja das tun muss, was die Männer mir sagen. Deswegen kann ich dir nicht genau sagen, wie lange es dauert. Mein größter Wunsch ist, dass ich ganz schnell mit Maxi zurück komme und dass wir dann sofort nach Hause fahren können.“
Er nickt mit seinem Kopf. Ich nehme ihn ganz fest in den Arm und spüre, wie sehr sein kleiner Körper unter Spannung steht. Mein Blick fällt auf Wolfgang. Auch er steht unter Spannung. Das sehe ich ihm an ohne ihn zu berühren. Mache ich das Richtige? Oder soll ich lieber hier mit meiner Familie warten, bis wir etwas hören? Das ist allerdings noch nie mein Ding gewesen. Ich habe immer in das Geschehen eingegriffen und mich nicht passiv verhalten. Deshalb muss ich mit.
Wenn ich Maxi geholt habe, kommt alles wieder ins Lot.
Ich halte Leon immer noch fest im Arm. Timo zappelt in meinem anderen Arm und will runter. Er fängt an zu quengeln, aber ich halte ihn
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