Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
oder?«
Diana nickte.
»Ehrlich gesagt, Rory, ich hatte ganz vergessen, wie das ist. Ständig kommen Leute auf mich zu und begrüßen mich, als würden wir uns schon ewig kennen, und ich steh da und denke ›Kenne ich dich? Müsste ich dich kennen? Sind wir uns schon mal begegnet und ich hab’s vergessen? Und wenn ja, was hältst du dann von mir?‹ Und dann kapiere ich, dass die nur glauben, mich zu kennen, weil sie mich im Fernsehen gesehen haben, und dann werde ich sofort unsicher, weil ich glaube, dass sie die echte Diana todlangweilig finden ...« Sie unterbrach ihren Redefluss und schüttelte verschämt den Kopf. »Ich liebe die Schauspielerei, Rory, aber ich fürchte, ich eigne mich einfach nicht zur Schauspielerin, jedenfalls nicht mit allen Facetten, die das Publikum offenbar erwartet ...«
»Ich glaube, der DJ legt gleich los, dann können wir uns entspannen. Sollen wir uns rausschleichen, frische Luft schnappen?«
»Gerne! Wenn ich noch ein strahlendes Lächeln gegenüber irgendjemandem, der wahnsinnig wichtig ist, aufsetzen muss, besteht die Gefahr, dass ich denjenigen mit einem ESDS-Cocktailstab erdolche!«
– 13 –
Der erste Tag dieses Frühlingsmonats hatte sich letztlich doch von seiner besten Seite gezeigt. Nur jetzt, gegen Abend, wurde es so kühl, dass sich nur noch die Hartgesottenen und die Raucher auf der breiten Holzveranda aufhielten.
Weil Diana fröstelte, zog Rory sein Sakko aus und legte es ihr um die Schultern. Er staunte nicht schlecht, als ihr daraufhin die Tränen kamen.
»Ach, du liebe Güte, was ist denn ...?« Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, befürchtete aber, es damit nur noch schlimmer zu machen, und legte nur die Hand auf ihren Arm. »Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, weil ich dich zu all dem hier überredet habe?«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil, ich habe schon auf eine passende Gelegenheit gewartet, um mich noch mal bei dir zu bedanken! Du hast mir aus einer riesigen Patsche geholfen – und mir dabei geholfen, von diesem Arschloch wegzukommen«, fügte sie raunend hinzu. »Ich bin dir wirklich dankbar. Es ist nur ... ich ... Also, ich muss mich erst mal wieder an all das hier gewöhnen. Muss wieder lernen, bei solchen Anlässen eine Rolle zu spielen ... Es wird eine Weile dauern, aber ich werd’s schon schaffen.«
»Was ist es dann? Ich weiß, du meinst, dass du tapfer sein musst, was die Trennung von Peter angeht, aber ihr beiden wart ja auch ewig zusammen, ist doch klar, dass sich das erst mal total seltsam anfühlt ohne ihn ...«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
»Nein, Rory, tut es nicht. Mit ihm hat es sich seltsam angefühlt. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann war das auch nicht allein seine Schuld. Es ist schon eine ganze Weile nicht mehr richtig rund gelaufen zwischen uns, und das haben wir uns beide zuzuschreiben.«
»Was ist es dann?«
»Ich weiß, das hört sich blöd an, aber allein diese kleine Geste, dass du mir dein Sakko gibst, einfach so, ohne ein Wort – das war so aufmerksam von dir! Zwölf Jahre war ich mit Peter zusammen, und er hat mir kein einziges Mal sein Sakko geliehen. Warum habe ich zwölf Jahre meines Lebens an einen Mann verschwendet, der mir nicht mal sein Sakko um die Schultern legt? Und jetzt bin ich alt und dick und werde den Rest meines Lebens keinen Mann mehr finden, der mir sein Sakko aus anderen Beweggründen als reiner Freundschaft oder Mitleid um die Schultern legen wird. Wahrscheinlich klingt das alles furchtbar langweilig und nach Klischee, aber ich habe mir doch einfach nur immer schon gewünscht, jemanden zu finden, den ich lieben kann und der mich liebt ...«
»Diana, du bist nicht dick.«
»Rory, du bist ein feiner Kerl, hör auf zu lügen. Wenn du behauptest, ich sei nicht dick, kannst du genauso gut versuchen, mir zu erzählen, Schokoladenkuchen schmeckt nach frittiertem Turnschuh.«
»Du bist nicht dick«, wiederholte Rory unbeirrt. »Und alt bist du auch nicht.«
»Ich werde im Mai fünfzig ...«
»Und? Es heißt, mit vierzig geht das Leben erst richtig los ... Also wirst du gerade mal zehn ...«
Das entlockte ihr endlich ein Lächeln.
»Ach, Rory. Tut mir leid. Was rede ich für einen Blödsinn.«
»Überhaupt nicht. Mein Vater hat immer gesagt, es kommt im Leben nicht auf die großen Taten an. Die Zuneigung, die man für einen anderen Menschen empfindet, zeigt sich in den kleinen Gesten. Damals, als meine Mutter noch lebte, hat sie
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