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hätte, dann hätte ich mit Hilfe einer guten Maskenbildnerin einen 42-Jährigen gespielt. Nur, weil ich ja nun mal die Hauptrolle spielen musste - schon weil das von mir erwartet wird -, musste ich das Ganze wenigstens in die Nähe meines heutigen Alters transportieren. Ich glaube, dass es deswegen von nicht weniger Interesse für die jüngere Generation ist, weil ich als Kind immer die Erfahrung gemacht habe, dass der Blick durchs Schlüs-seiloch auf die andere Generation der interessantere war. Ich habe mich bei weitem nicht so für meine zehnjährigen Altersgenossen interessiert wie für Eltern und Großeltern: Was machen die, warum haben die eben französisch gesprochen, wer war da eingeladen? Man fühlte auch, wenn da Beziehungen entstanden, die die Erwachsenen zu vertuschen glaubten - alles das war doch viel interessanter.
Ich glaube auch, dass Kinder, die heute fernsehen, sich viel mehr für Filme interessieren, die überhaupt nicht für sie gemacht sind.
Der Spiegel Man hat zwar Probleme, Auseinandersetzungen mit den Eltern, versteht sich aber mit den Großeltern.
Loriot Aber auch die Vatergeneration müsste gerade für die Jugend aus zwei Gründen interessant sein, einmal: weil die Respektspersonen in dieser brüchigen Weise dargestellt werden, die ihnen ihr Leben lang gesagt haben, wo es langzugehen hat, und gegen die sie ja rebellieren wollen und müssen. Das bereitet eine gewisse Form der Befriedigung. Und sie sind froh, darüber lachen zu können.
Der Spiegel Uns fallen zu einem so kranken Ödipus-Verhältnis, wie es in Ihrem Film dargestellt wird, zwei Beispiele ein. Einmal Hitchcocks- Psycho und einmal Dürrenmatts Es geschah am hellichten Tag mit dieser dominanten Ehefrau als Ersatzmutter. Bei Hitchcock endet das in einem Blutbad, unter einer Blutdusche. Bei Dürrenmatt in einem Kindesmord. Diese Mutterbindung, die Sie da zeigen, ist ja wirklich sehr gefährlich. Warum ist das bei Ihnen komisch?
Loriot Weil alles, was ich zu machen versuche, dazu verurteilt ist, komisch sein zu müssen.
Der Spiegel Sie sagen das so traurig.
Loriot Nein, nein. Eine starke Mutter, die zur Unzeit ein Brahms-Lied singt, ist nun mal komischer als eine Leiche.
Der Spiegel Das Filmen hat Ihnen offenkundig Spaß gemacht. Haben Sie jetzt Blut geleckt?
Loriot Die Arbeit an einem Film ist ungeheuerlich schwer. Das Risiko und die Kosten sind groß - und ich werde in diesem Jahr 65 . Und wenn ich schon keine Zeit habe, den Seniorenpass der Bundesbahn zu genießen, dann sollte ich wenigstens nicht aus den Augen verlieren, wie viel Zeit ich noch habe. Also, »Blut geleckt« ist schön und gut, aber ich vergesse keinen Tag, dass die Zeit bemessen ist. Es ist was anderes, wenn jemand wie Hitchcock sein Leben lang einen Film nach dem anderen macht.
Der Spiegel Und manche der besten erst nach 65.
Loriot Ja. Aber da hatte er schon eine ungeheure Routine und ein fest eingespieltes Team. Der brauchte nur mit den Fingern zu schnippen. Für mich ist es ja nun wirklich ein Debüt. Ich habe zwar viel Regie geführt in meinen Sketchen, und der Film ist regietechnisch nichts anderes als ein Riesen-Sketch. Das ist dieselbe Arbeit; aber es fehlt die Gewohnheit. Das vergrößert die Anstrengung. Dazu kommt die Verantwortung für eine so große Sache, die doch einige Millionen kostet - und der Gedanke, dass irgendjemand an mir 'ne Mark verliert, ist mir grauenvoll.
Der Spiegel Kann das hier passieren?
Loriot Ein Film, der 7,5 Millionen kostet, braucht, wie ich gehört habe, mindestens zwei Millionen Zuschauer. Neulich habe ich irgendwo eine Aufstellung gelesen, nach der, glaube ich, nur fünf Filme in Deutschland pro Jahr über 1,5 Millionen Zuschauer erreichen. Ich glaube, der Otto-Film und noch zwei andere ...
Der Spiegel Doris Dörries Männer, zum Beispiel.
Loriot ... haben dann ihre Kosten eingespielt. Alles Übrige geht nur mit staatlichem Zuschuss, so dass sich private Verluste in Grenzen halten. Mein Produzent Horst Wendlandt sagte: Nein, wir wollen keine Zuschüsse, das machen wir aus der Tasche. Das fand ich ungeheuer nobel; aber es belastet mich.
Der Spiegel Der Film startet zur gleichen Zeit - und das ist ein Unikum - in der DDR und in der Bundesrepublik. Wie kommt es dazu, und was bedeutet das?
Loriot Ich habe ja dadurch, dass meine Bücher in der DDR gedruckt werden und ich dort eine ganze Reihe von Lesungen gemacht habe - mit Evelyn Hamann zusammen - und eine Ausstellung in meiner Heimatstadt Brandenburg, die dort im
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