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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loriot
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die »Doppelliege Presto«. Hat Reklame heute noch ein komisches Potential?
    Loriot Ich denke nicht, tv-Werbung ist inzwischen selbst schon so komisch, dass der dazwischen gesendete Spielfilm oft Mühe hat mitzuhalten. Wenn Werbung immer amüsanter wird, verliert sie natürlich an parodistischem Potential.
    Der Spiegel Sie hatten sicher selbst etliche lukrative Werbeangebote.
    Loriot Hier in meinem Haus saßen einmal zwei Herren einer Weltfirma, die von belegten Broten bis zu U-Booten so ziemlich alles produziert haben. Sie wollten alte Zeichnungen und Sketche von mir verwenden und steigerten sich schnell zu einem Millionenangebot. Ich musste ihnen aber nach kurzer Zeit mitteilen, dass ich das nicht kann.
    Der Spiegel Warum nicht?
    Loriot Ich hätte so ziemlich alles verraten, was ich in den 50 Jahren davor versucht habe. Es wäre ein schrecklicher Fehler gewesen - egal, ob ich dann für Nudeln, Schokolade, Staubsauger oder Gammelfleisch geworben hätte.
    Der Spiegel Heutige tv-Stars erklären ihre oft zahlreichen Reklame-Engagements auch damit, dass die Werbewirtschaft schließlich ihren Marktwert mit festlege.
    Loriot Mag sein, aber in meinem Fall ist ein werblicher Marktwert eher gefährlich. Ich bin mir sicher, dass man sich von dieser Art von Geschäften fernhalten kann, wenn man das nur möchte.
    Der Spiegel Sind wir Deutschen - wie unsere Reklame - lustiger geworden?
    Loriot Vielleicht trifft Humor hierzulande heute auf mehr Verständnis. Die empörten Zuschriften, die ich früher nach manchen Sketchen bekam, wären mittlerweile wohl nicht mehr zu befürchten.
    Der Spiegel Ihre Arbeit hat trotz aller Erfolge nie zum Exportschlager getaugt. Also muss Ihr Humor doch sehr deutsch sein.
    Loriot Wahrscheinlich ist er das. Aber wo ist zum Beispiel französischer oder englischer Humor wirklich bei uns angekommen? Es gibt wohl so etwas wie nationale Spaßgrenzen.
    Der Spiegel Halten Sie die Große Koalition für komisch?
    Loriot Ja, an ernsthafte Arbeit ist doch wohl nicht zu denken. Aber ich bewundere Frau Merkel, die, neben ihrem politischen Geschick, auch in der Entgegennahme internationaler Handküsse eine gesellschaftliche Überlegenheit beweist, die heute selten geworden ist.
    Der Spiegel Wen wählten Sie bei der letzten Bundestagswahl?
    Loriot Habe ich vergessen.
    Der Spiegel Haben Sie deutsche Lieblingswörter?
    Loriot Zahnersatzzusatzversicherung würde sicher dazugehören, aber auch Rentnerschwemme. Eigentlich bereits Gesundheitsreform. Denn Gesundheit soll dabei ja nicht reformiert werden, soweit ich das beurteilen kann. Unsere Sprache wird leider immer unschöner - trotz durchaus wachsenden Vokabulars.
    Der Spiegel Wer trägt die Verantwortung?
    Loriot Nicht nur das Fernsehen, das schließlich dafür sorgte, dass eine eher bürgerliche Sprache heute auch in einfacheren gesellschaftlichen Kreisen gesprochen wird. Dort ist heute die Gattin, die früher »zappelig« war, »hysterisch«.
    Der Spiegel Herr von Bülow, Sie waren vier, als Ihre Eltern sich trennten und Ihr Vater Sie und Ihren Bruder zu einer verwitweten Großmutter nach Berlin schickte. Sie waren sechs, als Ihre Mutter starb, und 17, als Sie zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Hatten Sie eigentlich eine Jugend?
    Loriot Das Kind, der junge Mensch hält alles, was geschieht, für vorgegeben. Auch den Tod der Mutter, auch die Nazis, auch den Krieg. Und schließlich ist die Geburt als Erinnerung auch kein erstaunliches Ereignis.
    Der Spiegel Was ist Ihre einschneidendste Erinnerung an drei Jahre Russlandfeldzug?
    Loriot Nicht das Erlebnis selbst, sondern die spätere beschämende Erkenntnis, das Grauen des Krieges hingenommen und eingeordnet zu haben -wie jene Nacht im verschütteten Graben, als mich etwas im Gesicht beim Schlafen störte. Es war die Hand eines Toten, die mich gestreichelt hatte.
    Der Spiegel Wer so was nicht an sich ranlässt, wird zumindest nicht irre.
    Loriot Natürlich. Heere bestehen meist aus jungen Männern. Mit der von mir skizzierten Erkenntnis wären die ja gar nicht in der Lage, Krieg zu führen. Und das wäre doch eigentlich gut. Aber die nächste Generation lernt daraus nicht. Die Leute, die das wie ich begriffen haben, werden auch nicht mehr gefragt. Deshalb ist die Menschheit immer und immer wieder bereit zum Krieg.
    Der Spiegel Wie konnten Sie bei Ihrer Lebensgeschichte zu derart filigranem Humor finden?
    Loriot Humor hat nichts mit Erfahrungen zu tun. Er ist eine Eigenschaft wie andere dankenswerte oder bedauerliche

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