Bitte Zweimal Wolke 7
ein Gesicht, ich bin mir sicher, ihr werdet euch ganz wunderbar verstehen!«
Werden wir nicht, da bin ich mir mindestens genauso sicher.
»Ich soll dir ganz liebe Grüße von Mama ausrichten«, sage ich schnell.
»Mama? Ah ja, danke.« Mein Vater stottert und ich spüre eine gewisse Genugtuung.
»Wollen wir jetzt nicht erst mal was essen?«, versucht Anna die Situation zu retten.
»Du hast da noch ein Stückchen Schafskäse am Hintern«, sage ich zu ihr und zeige auf ihren Po, bevor ich mich auf einen Stuhl fallen lasse.
Anna lacht nur und zwinkert Papa zu. Mist. Der Schuss ging nach hinten los. Aber wenigstens Papa ist ein bisschen rot geworden, stelle ich zufrieden fest. Als ich den gedeckten Tisch sehe, merke ich erst, wie hungrig ich bin. Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Ich lasse meinen Blick über die vielen kleinen Schalen mit verschiedenen Leckereien schweifen und fülle mir den Teller mit Oliven, getrockneten Tomaten, eingelegtem Schafskäse und frischem Weißbrot. 15 Minuten Waffenstillstand, beschließe ich und gieße mir ein großes Glas Apfelschorle ein.
»Ich bin mir sicher, dass du und Anna in kürzester Zeit die allerbesten Freundinnen sein werdet«, versucht Papa es noch einmal.
Ich verdrehe innerlich die Augen. Blablabla.
Wenigstens hält Anna die Klappe und verabschiedet sich schon ein paar Minuten später mit der Erklärung, dass sie für irgendein Buffet morgen noch etwas einkaufen müsse.
»Und? Wie findest du sie?« Papa schaut mich erwartungsvoll an.
Das ist jetzt nicht sein Ernst? Ich bin so perplex, dass ich gar nicht sprechen kann. »Wo hast du sie eigentlich kennengelernt?«, frage ich, um überhaupt irgendwas zu sagen. Dabeifällt mir jedes einzelne Wort so schwer, als ob ich es erst kauen müsste, bevor ich es ausspucken kann.
»Anna hat das Catering bei einem größeren Event meiner Firma gemacht. Ich habe mich erst in ihre Schweinemedaillons und dann in sie verliebt!« Papa strahlt mich an.
Gott, ist das peinlich. »Aha.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ich versuche krampfhaft, mich daran zu erinnern, ob Papa früher auch so verliebt von Mama gesprochen hat. Irgendwann müssen sie sich doch einmal geliebt haben, immerhin haben sie geheiratet und mich bekommen. Natürlich weiß ich, dass die Liebe manchmal nicht ewig hält, dass Beziehungen zerbrechen und Menschen sich trennen. Trotzdem will ich dieses Bild in mir finden, das Bild von Mama und Papa, als sie noch glücklich miteinander waren. Aber alle meine Erinnerungen drehen sich um Streit, heftige Worte und viele Tränen. Und jetzt grinst Papa mich an wie ein verliebtes Honigkuchenpferd, und die Frau, in die er sich verliebt hat, ist nicht Mama. Ganz plötzlich trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag. So als ob da vorher noch ein ganz dünner letzter Faden war, der alles zusammengehalten hat und der jetzt durchgeschnitten wurde. Zack. Aus. Vorbei. Papa liebt eine andere. Mama und Papa wird es nie mehr geben. Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen schießen, und schlucke und schlucke, um zu verhindern, dass ich gleich losheule. Ich starre vor mich auf den Tisch und konzentriere mich auf eine Fliege, die zwischen den Brotkrümeln herumspaziert. Ich zähle ihre Beinchen und betrachte ihre schillernden Flügel.
Papa scheucht die Fliege mit einer Handbewegung weg. »Gib dir ein bisschen Mühe, okay?« Seufzend steht er auf und fängt an, den Tisch abzuräumen. Mechanisch reiche ich ihm die Sachen. Als wir fertig sind, will ich nur noch allein sein.
»Kimmiiiii!!!« Jubelnd falle ich Kim um den Hals und vergesse dabei, dass ich nur in mein Badehandtuch gehüllt zur Tür gelaufen bin. Hektisch hebe ich das Handtuch auf und wickele es mir mit einer Hand wieder um den Körper, während ich mit der anderen Kim hinter mir her in mein Zimmer zerre.
Kim lässt sich lachend aufs Bett plumpsen, und ich schlüpfe schnell in meine Klamotten, die auf dem Fußboden verstreut liegen. Kim sieht wieder einmal toll aus. Zu einem minikurzen karierten Rock trägt sie ein schwarzes Top, das an mehreren Stellen Löcher hat, die mit schwarzem Netzstoff hinterlegt sind. Passend zum Rock hat sie rot-grün karierte Chucks an, die sie einmal umgekrempelt hat. Das Coolste aber sind ihre Ohrstecker. Zwei winzige silberne Totenköpfe glitzern mir entgegen und verleihen Kim den Touch einer Piratenbraut.
»Ich bin so, so, so froh, dass du da bist!«
Kim lacht. »Ich bin auch so, so, so froh, dass du da bist«, antwortet sie und
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