Bitte Zweimal Wolke 7
Freundin hat angerufen und Bescheid gesagt. Du kommst wegen einer Beratung, richtig?« Fünf Frauenköpfe zucken hoch und starren mich an.
»Ja, richtig, Karolin Schreiber. Hier ist mein Kärtchen.« Schnell schiebe ich das Krankenkassenkärtchen über den Tresen.
»Hast du eine Einverständniserklärung dabei?«
»Eine was?«
»Eine Einverständniserklärung. Von deinen Eltern. Wenn du noch keine 16 bist und die Pille willst, dann müssen sie einverstanden sein.«
Ich fühle, wie ich rot werde. »Ach so, ja, nein, das habe ich gar nicht gewusst. Ich …«
Missbilligendes fünffaches Kopfschütteln.
Die beiden älteren Damen durchbohren mich mit ihren Blicken. Mist. Davon hat Kim nichts gesagt. Wenn man für die Pille wirklich eine Einverständniserklärung braucht, kann ich das abhaken. Ich geh im Leben nicht zu meinem Vater und sag ihm: Du Papa, da ist ja dieses Zeltwochenende in den Ferien. Da darf ich doch hin, oder? Ach ja, und wenn du so lieb sein würdest, mir gleich die Einverständniserklärung für die Pille zu unterschreiben? Die brauche ich da nämlich dringend …
Die Sprechstundenhilfe greift nach ihrem Kalender.
»Na, das macht nichts. Setz dich erst mal hin. Heute geht es ja sowieso nur um ein Gespräch. Kann aber noch fünf Minuten dauern, okay?«
Erleichtert suche ich mir einen freien Platz. Ich nehme einen direkt neben dem Garderobenständer. Hinter den Jacken fühle ich mich wenigstens ein bisschen geschützt. Die beiden älteren Damen beobachten jede meiner Bewegungen mit verkniffenen Blicken. Am liebsten würde ich mir jetzt meinen iPod ins Ohr stöpseln, aber dann höre ich vielleicht nicht, wenn ich aufgerufen werde. Verstohlen hole ich meinHandy aus der Tasche und lese noch mal Kims SMS von heute Morgen.
Dein Horoskop: Dieser Tag wird voller Überraschungen sein!
»Handys sind hier nicht erlaubt«, keift eine Stimme von schräg gegenüber. Schnell stecke ich das Telefon wieder weg und greife stattdessen zu einer der Zeitschriften, die auf dem Tischchen vor mir ausgebreitet liegen.
Windel ist nicht gleich Windel. Der große Test mit Gewinnspiel
. Nicht mein Thema. Ich suche weiter.
Wechseljahre sind keine Krankheit. So kleiden Sie sich richtig in der Menopause
. Örks. Auch dieses Heft wandert zurück auf den Tisch. Versuchsweise schließe ich die Augen. Vielleicht kann ich mich ja für ein paar Minuten in meinen Lieblingstraum versetzen.
»Also wenn das meine Tochter wäre …«
»So jung und schon die Pille. Das sollte verboten werden.« Ich reiße die Augen wieder auf. Schlagartig verstummen die Stimmen von gegenüber. Aus einem der Zimmer kommt eine Frau mit kurzen grauen Haaren, weißen Jeans und einem weißen Sweatshirt geschossen. Sie sieht ein bisschen aus wie aus einer Waschmittelwerbung. Weiß, sportlich, frisch.
»Frau Lein, stellen Sie mir bitte eben einen neuen Mutterpass für die Patientin aus!« Die Frau in den weißen Jeans wirft der Sprechstundenhilfe eine Karteikarte auf den Tresen und eilt weiter. Frau Dr. Keilig-Bodenburg im Einsatz.
Fünf paar Augen schwirren zur Annahme. Ein Baby. Eine neue Schwangere. Diese zukünftige Mutterpassbesitzerin, von der noch nichts zu sehen ist, hat offensichtlich gerade irgend-eingeheimes Aufnahmeritual der Patientinnen von Frau Dr. Keilig-Bodenburg bestanden und wird jetzt mit leuchtenden Augen und einem runden freundlichen Lächeln von den anwesenden Müttern und Großmüttern erwartet. Ich versuche es mit einer neuen Zeitschrift.
Die 25 beliebtesten Vornamen. Sie haben die Qual der Wahl
. Karolin steht nicht auf der Liste. Stefan ebenfalls nicht. Stefan. Ob er zu schätzen weiß, was ich hier alles auf mich nehme für eine romantische Nacht mit ihm? Ich fühle wieder seine Hände an meiner Hüfte, als er mich durchs Wasser schiebt, und höre sein Versprechen, das er mir ins Ohr flüstert. Später. Wann dieses »später« wohl sein wird? Morgen findet der nächste Tauchkurs statt. Hoffentlich darf ich daran teilnehmen.
»Herzlichen Glückwunsch, Frau Jung. Alles ist in bester Ordnung. Hier ist Ihr Mutterpass, bitte führen Sie den jetzt immer mit sich. Und kommen Sie in vier Wochen zur nächsten Vorsorgeuntersuchung.«
Fünfstimmiges glückliches Seufzen.
Ich konzentriere mich angestrengt auf die 25 beliebtesten Vornamen.
»Danke, ja, das mache ich. Entschuldigung, ich bin ein bisschen durcheinander. Das ist alles noch so neu für mich.« Ich fühle förmlich nachsichtiges Lächeln auf fünf Gesichtern.
»Aber sicher,
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