Bitte Zweimal Wolke 7
Augenblick schon vorbei. Ich setze die Flasche an denMund und nehme einen Schluck, dabei lässt Stefan mich nicht aus den Augen. Dann streicht er mir mit dem Finger eine Locke aus dem Gesicht. Ich halte die Luft an und wage es kaum noch zu atmen.
»Du hast irrsinnig schöne Haare, weißt du das?«
Ich würde so gerne etwas darauf erwidern, aber mein Mund ist wie ausgetrocknet und ich habe furchtbare Angst, etwas Falsches zu sagen. Ich halte die Luft an und wünsche mir, dass dieser Moment nie vorbeigeht.
»He, ihr Turteltäubchen, lasst mich mal an die Quelle!« Kessi! Energisch schiebt sie uns auseinander, um sich ein Bier zu nehmen. »Kannst du mir die mal aufmachen, bitte?« Kessi hält Stefan ihre Flasche hin und berührt seine Hand, wobei sie ihn verführerisch anlächelt.
»Klar, Schnecke, für dich immer.«
Stefan umfasst ihre Hand mit der Flasche exakt so, wie er auch meine vorhin festgehalten hat, und hebelt mit einem Ruck den Deckel ab.
Schnecke! Wie konnte ich eigentlich auf die idiotische Idee kommen, das zwischen Stefan und mir eben wäre irgendetwas Besonderes gewesen? Von der romantischen Stimmung zwischen uns ist kein Hauch mehr zu spüren. Ich sehe Kessi selbstbewusst die Bierflasche an ihre Lippen setzen, mein Blick fällt auf ihren tiefen Ausschnitt, auf ihr knallenges T-Shirt und ihre schmale Hüfte. Aus irgendeinem Grund werde ich stinkwütend. Kim kommt ebenfalls zu uns herüber und greift nach einer Cola.
Sie zwinkert mir zu, dann guckt sie demonstrativ auf ihre Uhr. »Karo, ich will dich ja nicht drängeln, aber ich glaube, du solltest langsam nach Hause fahren. Du musst dreimal umsteigen und das dauert.«
Ich gucke Kim ziemlich verdattert an. Das mit dem Umsteigen stimmt nämlich überhaupt nicht und außerdem ist noch reichlich Zeit. Kessi hingegen reagiert sofort.
»Ach, du musst schon gehen? Das tut mir leid. Aber klar, du bist erst fünfzehn, da muss man aufpassen mit dem Jugendschutz. Mich haben sie sogar mal in der U-Bahn kontrolliert, als ich noch fünfzehn war, aber das ist ja schon eeewig her.« Sie hängt sich an Stefans Arm.
»Das war vor vier Wochen, oder? Und dein Vater musste dich auf der Polizeiwache abholen. Ich erinnere mich.« Kim prostet mir zu und Stefan grinst. Da muss auch ich lachen. Und plötzlich habe ich eine Idee. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen, bevor ich mich Stefan zuwende.
»Könntest du mich nachher vielleicht schnell mit dem Roller nach Hause fahren? Dann habe ich ein bisschen länger Zeit. Du darfst doch noch fahren?«, frage ich mit einem Blick auf den Bierkasten.
»Ja klar, mache ich. Hab nur Wasser getrunken.« Er hebt seine Flasche hoch und zwinkert mir zu. »Sag Bescheid, wenn du los musst.« Mit diesen Worten geht Stefan wieder zu den anderen zurück. Ich kann mir einen triumphierenden Blick in Kessis Richtung nicht verkneifen und auf einmal ist der Himmel wieder rosarot.
Ich wünschte, wir würden noch ewig so durch die Nacht fahren. Vor unserem Haus hält Stefan an. Ich steige ab und nestele an dem Riemen unter meinem Kinn.
»Warte. Ich helfe dir«, sagt Stefan, nachdem er seinen Helm abgesetzt hat.
Er öffnet den Riemen und zieht mir behutsam den Helm vom Kopf. Ich schüttele meine Locken.
»Danke fürs Heimfahren, das war echt nett von dir«, höre ich mich sagen.
Küss mich
, möchte ich eigentlich sagen. Ich fühle, wie ich rot werde. Zum Glück ist es trotz Straßenbeleuchtung schon ziemlich dunkel.
Stefan hebt die Hand und streicht mir wieder eine Locke aus dem Gesicht. Dann streift er mir den Rucksack von den Schultern und legt ihn auf den Boden. Wie zufällig lässt er seine Hand in meinen Nacken gleiten und zieht mein Gesicht ganz nah an seines heran. Ich nehme alles wie hinter einem Schleier wahr. Langsam beugt er sein Gesicht zu mir herunter, ich spüre seinen Atem auf meiner Haut und dann sind seine Lippen plötzlich auf meinen. Warm fühlen sie sich an. Und fordernd.
Er zieht mich fester zu sich heran. Seine Zunge drängt sich in meinen Mund. Ja, denke ich. Ja, ja, ja. Ich bin da, wo ich hinwollte. Stefan küsst mich. In einem Film würde jetzt Violinenspiel erklingen und irgendwo im Hintergrund über der Stadt ein Feuerwerk in den Himmel aufsteigen. Ich drücke mich enger an ihn. Seine Zunge erforscht meinen Mund und seine Hand gleitet unter mein T-Shirt. Ich warte aufdas Feuerwerk, aber nichts passiert. Entspann dich, Karo. Du bist am Ziel deiner Träume. Da ist es normal, dass du ein bisschen nervös bist.
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