Bitter Lemon - Thriller
mit Firmensitz in Bukarest.
Die Männer begannen augenblicklich, die Plane zu lösen und den Lastwagen zu entladen.
Gemüsekisten.
David und Artur sahen sich schweigend an.
Gemüse?
Der Fahrer des Lastwagens näherte sich unterwürfig dem Albino. Die Körperhaltung sprach Bände. Doch der Albino beachtete ihn nicht weiter und beobachtete stattdessen das Entladen. Der Fahrer schien sich wortreich zu entschuldigen. Vermutlich für die fünfminütige Verspätung. Nach einer Weile stoppte der Albino den Redeschwall, indem er dem Fahrer mit dem Handrücken ins Gesicht schlug, ohne auch nur einziges Mal das Wort an ihn gerichtet oder ihn angesehen zu haben.
Zwei der Männer kletterten auf die Pritsche.
Der Albino schnippte mit den Fingern. Der Fahrer reichte ihm einen Schlüssel. Der Albino gab den Schlüssel an einen der Männer auf der Pritsche weiter.
Die anderen stellten die Arbeit ein.
Niemand von ihnen kam auf die Idee, die nun auf dem gepflasterten Vorplatz gestapelten Gemüsekisten wegzutragen, ins Fabrikgebäude, oder zu den Geländewagen.
Ein Schrei.
Schrill vor Angst.
Die Männer auf dem Platz lachten.
Sie drängten sich nach vorne. Sie hoben die Arme, griffen ins Dunkel des Laderaums.
Junge Frauen. Drei. Vier. Immer mehr. Sieben, neun, zwölf. Frauen und Mädchen. Halbe Kinder noch. Das erste Mädchen, das sie von der Ladekante hoben, blutete aus der Nase. Offenbar hatte sie sich gewehrt. Das Blut rann über Mund und Kinn. Die Mädchen drängten sich dicht beieinander, als könnten sie sich so gegenseitig beschützen. Wie alt mochten sie sein? Schwer zu sagen, aus dieser Entfernung. Manche wirkten schon wie zwanzig, andere höchstens wie sechzehn.
Einer der Männer sprang von der Ladefläche und rieb sich missmutig die Hand. Vermutlich hatte ihn das Mädchen mit der blutenden Nase gebissen. Die anderen Männer machten Witze auf seine Kosten und schlugen ihm dabei jovial auf die Schulter. Der Albino verzog keine Miene und zählte die Mädchen, während David die Männer zählte. Elf plus ihr Anführer. Der Albino schnippte erneut mit den Fingern. Vier Männer trieben die Frauen und Mädchen durch eine Stahltür ins Innere der Fabrik. Die Besatzung des Lastwagens lud die Gemüsekisten wieder ein. Fünf Männer entluden die Geländewagen. Wäschekörbe. Alu-Koffer. Große, faltbare Einkaufsboxen aus Kunststoff. Scheinwerfer. Ein Stativ. Als Letzter betrat der Albino die Fabrik.
Die Stahltür fiel ins Schloss.
»Denk erst gar nicht dran«, flüsterte Artur. »Zwölf bewaffnete Männer. Keine Chance.«
Der Lastwagen verließ den Hof.
»Jetzt sind es nur noch zehn, Artur. Ruf Willi an und gib ihm die Beschreibung des Lastwagens durch. Wir müssen wissen, woher sie kommen und wer sie beauftragt hat. Die werden jetzt schnurstracks zurück zur Autobahnauffahrt fahren. Sag Willi, sie müssen den Lastwagen vorher stoppen. Denn danach gibt’s zu viele Möglichkeiten in alle Himmelsrichtungen … Frankfurt, Berlin, Hamburg, Amsterdam … auch wenn die Frachtpapiere auf den ersten Blick in Ordnung sind, sollen sie die Gemüsekisten ausräumen. Dann werden sie garantiert einen schalldichten Verschlag mit einer abschließbaren Tür und einem Belüftungsrohr zum Wagendach finden. Okay?«
Ohne Arturs Antwort abzuwarten, rannte David los, tief gebeugt, auf einem Kurs, der ihm ein Maximum an Sichtschutz durch die kreuz und quer geparkten Geländewagen bot. Artur beobachtete durch das Fenster, wie David neben jedem Wagen stoppte und die Fahrertür öffnete. Schließlich ging er vor der Backsteinmauer neben der Stahltür in die Hocke und lauschte. Zehn Sekunden später drückte er die Klinke runter, ganz langsam, öffnete die Tür einen Spalt und schlüpfte hindurch.
Artur starrte immer noch fassungslos durch die Scheibe. Dann griff er nach seinem Handy.
»Du hast echt nicht mehr alle Tassen im Schrank«, fluchte er, während er Willi Heusers Nummer tippte.
Sie gingen routiniert und professionell vor. Sie bildeten zwei Teams. Eines kümmerte sich um das Kirchengebäude, eines um das Pfarrhaus. Die Schlösser waren ein Witz.
Sie weckten Tomislav Bralic und seine Haushälterin, führten sie aus ihren Schlafzimmern die Treppe hinab ins Erdgeschoss des Pfarrhauses und fesselten sie Rücken an Rücken auf zwei Küchenstühlen, die sie zuvor in der Diele postiert hatten. Bralic beschimpfte sie lautstark als Faschistenschweine und trat nach ihnen, wenn sie seinem Stuhl zu nahe kamen. Daraufhin fesselten sie auch
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