Bitter Lemon - Thriller
ostpreußischen Heimat vertrieben. Sie verloren alles bei ihrer Flucht vor der Roten Armee und mussten in Westdeutschland (als Protestanten im katholischen Rheinland) wieder ganz von vorne anfangen. Mein Vater Wilhelm Cornelsen (1910–1969) erhielt später einen Ruf als Professor für Skandinavistik an die Bonner Universität, meine Mutter Elfriede Cornelsen (1920–2006) arbeitete als Lehrerin an einer Bonner Grundschule. 1969 starb mein Vater. Mit nur 13 Jahren war ich also Halbwaise. Ein Heranwachsen ohne Vaterfigur, wo doch das Vorbild für Jungen gerade in diesem Alter so wichtig ist.
Seine Mutter macht die rebellischen Studenten für den frühen Infarkt-Tod des erst 59-jährigen Professors verantwortlich. Die Studenten hatten ihm seine Vergangenheit als von den Nazis verhätschelter Nachwuchsliterat vorgeworfen, Flugblätter verteilt und Vorlesungen boykotiert. Wilhelm Cornelsen war zwar offenbar ein weitgehend unpolitischer Mensch und auch kein NS-Parteimitglied gewesen, hatte aber in seinen frühen Novellen und Lyriksammlungen immer wieder die nordische Rasse und deren genetische Überlegenheit verherrlicht.
1974 legte ich am Bonner Beethoven-Gymnasium das Abitur ab (Gesamtnote: 1,4) und trat meinen Zivildienst im diakonischen Erziehungsheim Luisenstift in Berlin an. Das war meiner Mutter ein echtes Herzensanliegen.
Warum das seiner Mutter ein echtes Herzensanliegen war, blieb Cornelsens Geheimnis. Kristina googelte Luisenstift Berlin und fand einen einzigen Eintrag in Zusammenhang mit Cornelsen:
Am 9. September 2007 feierte das Erziehungsheim Luisenstift sein 200-jähriges Bestehen in Anwesenheit von Prinz Franz Friedrich von Preußen, Schirmherr und direkter Nachfahre von Königin Luise von Preußen. Als das Luisenstift, eine Einrichtung der evangelischen Diakonie, von Berliner Bürgern gegründet wurde, erlaubte Königin Luise von Preußen, dass das Kinderheim ihren Namen erhielt. Die bewegende Festrede hielt der bekannte Fernsehmoderator Dr. Carsten F. Cornelsen, der 1974–1976 seinen Zivildienst im Luisenstift ableistete.
Kristina notierte die nächsten Stationen: Studium der Evangelischen Theologie, Philosophie und Ethnologie an der Universität Bonn. 1980 Magister-Examen, 1982 Promotion.
Professor Wilhelm Cornelsen wäre sicher stolz gewesen auf seinen Sohn. Einser-Abitur, Promotion … oder vielleicht doch nicht? Dr. Konrad Gleisberg, Erfinder der gleichnamigen Schrumpfschläuche und erfolgreicher Unternehmer im Sauerland, war jedenfalls noch nie stolz auf seine Tochter gewesen.
Anderes Thema.
Zweijähriges Volontariat beim WDR, anschließend Festanstellung als Redakteur im Referat des Evangelischen Rundfunkbeauftragten beim WDR. Der bestimmte wie sein katholischer Kollege mit seinem Stab und unter Berufung auf das Landesrundfunkgesetz NRW und den Rundfunkstaatsvertrag, was an religiösen Beiträgen gesendet wurde und was nicht.
1987 erhielt ich das Angebot des Westdeutschen Rundfunks, eine eigene Hörfunksendung zu moderieren.
Korrekt. Interaktives Radio. Die Zuhörer durften dem Gutmenschen, Hobbypsychologen und promovierten Theologen mit der sanften Stimme am Telefon ihre Sorgen mitteilen.
Die Sendung wurde bald ein Riesenerfolg.
Ebenfalls korrekt. Cornelsens Radio-Sendung wurde von 1989 an statt einmal wöchentlich um 14 Uhr nun fünfmal pro Woche um 18 Uhr ausgestrahlt und außerdem von einer halben Stunde auf eine ganze Stunde erweitert.
Vom Radio zum Fernsehen: 1991 erhielt ich meine eigene, 45-minütige TV-Sendung im dritten Programm des WDR, jeden Donnerstag um 22.30 Uhr. Die Sendung übertrug das bewährte Konzept des Radioformats erfolgreich auf den Bildschirm.
Ebenfalls korrekt. Die Rechnung ging zunächst auf, die Sendung sorgte für gute Quoten, trotz der ungünstigen Sendezeit. Doch schon bald häuften sich kritische Stimmen: WDR-Prominente, Frauenverbände, Gewerkschaften, Grüne beklagten Cornelsens reaktionäres Weltbild. Der Moderator nutzte die öffentliche Bühne seiner Sendung zunehmend, um Feminismus und Homosexualität zu verdammen und mit Hilfe seiner fundamentalistischen Auslegung der Bibel ein völlig antiquiertes Gesellschaftsbild zu propagieren. Trotz mehrmaliger interner Ermahnungen durch die WDR-Oberen korrigierte Cornelsen sein Verhalten nicht. Vielmehr hielt sich der Moderator angesichts der beeindruckenden Einschaltquoten für unangreifbar.
1992 entschloss ich mich, dem ganzen Medienrummel den Rücken zu kehren, um Gott näher zu sein und mich
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