Bitter Lemon - Thriller
Akten gelegt. Aber Cornelsen war gesellschaftlich wie beruflich erledigt. Für immer und ewig. Seine Show wurde auf der Stelle abgesetzt, seine Produktionsfirma meldete wenig später Insolvenz an, weil sie die Gehälter und Honorare der Mitarbeiter nicht mehr zahlen konnte.
Ein wunderbarer Sommer. Sie fuhren fast jeden Tag für ein paar Stunden zum Baden an den See. Maja und Kristina und David und Artur. So hätte es ewig weitergehen können.
Aber so ging es nicht ewig weiter.
Artur erschien in der Küche, das ölverschmierte Telefon seines Werkstattanschlusses in der einen Hand, während die andere Hand das Mikro abdeckte.
»Für dich, David.«
»Für mich? Wer ist dran?«
»Dieser Schwede.«
David nahm das Telefon.
»Hallo Ingvar.«
»Manthey, geht’s gut?«
»Interessiert dich das wirklich?«
»Nein. Meine Leute signalisieren mir gerade, ich habe noch genau 96 Sekunden. Danach ist die Leitung nicht mehr sicher. Also pass jetzt gut auf. Ich habe was für dich. Ich weiß, wann Kecman in Köln aufschlägt. Saubere Quelle, aus erster Hand. Wir haben die Information vor einer Stunde aus den SOK-Computern abgefischt. Kerns Truppe gebärdet sich im Netz so hektisch wie ein wild gewordenes Wespennest.«
»Aha.«
»Ja. Kecman kommt nach Köln. Jerkov weiß es schon.«
»Woher?«
»Na, von mir natürlich. Weil er die Information bei mir bestellt hat. Da es jetzt sozusagen nicht mehr exklusiv ist, sondern nur noch die Zweitverwertung, kriegst du die Info zum sagenhaft günstigen Sonderpreis von nur zehntausend Euro. Vorauskasse, in bar. Bemüh dich nicht her. Besorg das Geld in den nächsten drei Stunden und steck es in den Hohlraum für das Reserverad des hässlichen orangefarbenen Volvo, der jetzt ein paar Meter vom Schrottplatz deines Polen entfernt auf der Straße parkt. Der Kofferraum ist unverschlossen. Meine Leute kommen es dann holen und lassen die Info zurück. Also? Was ist?«
»Zehntausend Euro sind eine Menge Geld …«
»Doch wohl nicht, wenn es darum geht, einem guten, alten Freund das Leben zu retten, nicht wahr? Ehrlich gesagt, Manthey: Es ist mir ziemlich egal, wie du das Geld beschaffst. Willst du die Information? Dann leih dir das Geld bei der Bank.«
»Warum kommt Kecman nach Deutschland?«
»Wir haben noch 37 Sekunden …«
»Warum kommt Kecman nach Deutschland?«
»Er ist offenbar sehr beunruhigt, wegen des Fiaskos in Dellbrück und wegen des ganzen Aufruhrs um diese Cornelsen-Sache. Vielleicht hat er außerdem noch ein paar Geschäfte in London zu erledigen. Aber was kümmert mich das?«
»Die Information mit der Fabrik in Dellbrück hattest du nicht nur an mich, sondern auch an Zoran verkauft …«
»Stimmt. Zweitverwertung. Anders kommt man heutzutage gar nicht mehr über die Runden.«
»Deine neue Geschäftsidee mit den Mehrfachverwertungen wird dich bald ruinieren, Ingvar. Oder umbringen.«
»Lass das getrost meine Sorge sein, Manthey. Wir haben übrigens noch 23 Sekunden. Also?«
»Das Geld liegt in spätestens drei Stunden bereit.«
»Wunderbar. Wir sind im Geschäft, Manthey.«
Die Leitung war tot.
Der Mann, der in Sankt Petersburg ein 250 Quadratmeter großes Penthouse-Apartment in bester Lage besaß, ferner auf Mallorca eine Finca mit Meerblick und 18 Hektar Land, außerdem eine Yacht, die zwölf Millionen Euro wert war, reiste per Kegelclub-Billigflug von Palma nach Köln. Vor dem Terminal wartete ein schwarzer Mercedes der S-Klasse auf ihn.
Der Albino hielt Kecman den Wagenschlag auf, wuchtete dessen Gepäck in den Kofferraum und kletterte dann auf der Fahrerseite zu seinem Chef auf die Rückbank.
Die beiden Lederjackenträger auf den Vordersitzen nickten devot. Kecman würdigte sie keines Blickes.
Der Fahrer gab Gas. Kecman nahm die Sonnenbrille ab, warf sie dem Albino in den Schoß, riss die Verpackung des frischen weißen Hemdes auf, das der Albino ihm reichte, und wechselte die Urlauberkluft in atemberaubender Geschwindigkeit gegen einen anthrazitfarbenen Anzug, als sei er es gewohnt, sich in Verkehrsmitteln umzuziehen. Dann reichte ihm der Albino die jüngste Ausgabe des Spiegel und stopfte die weiße Jeans, das fliederfarbene Poloshirt und die Espandrillos in einen Müllsack. Milos Kecman betrachtete schweigend den Titel:
SKLAVEN IN DEUTSCHLAND
Das Geschäft mit der Ware Mensch
Kecman verzichtete auf die Lektüre und warf das Heft zu der Sonnenbrille im Schoß des Albinos.
»Dieser Cornelsen muss verschwinden.«
»Er sagt nichts. Die Polizei hat ihn
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