Bitter Lemon - Thriller
schon als Zeugen vernommen. Jemand von den anderen Gästen hatte ihn damals mit zu der Party geschleift. Als Geburtstagsüberraschung.«
»Ich sagte, dieser Cornelsen muss verschwinden. Als Warnung an alle anderen. Die Polizei wird früher oder später über die Lücke in seiner Biografie stolpern. Er muss spurlos verschwinden und nie wieder auftauchen. Klar?«
»Klar.«
»Wer hat unsere Leute umgebracht?«
»Wir wissen es nicht.«
»Wer ist wir?«
»Ich … ich weiß es nicht.«
»Aber du warst doch dabei.«
»Es ging alles so schnell … es war stockdunkel …«
»Wie viele Dreckskerle waren es?«
»Schwer zu sagen …«
»Wie viele?«
»Einer … vermutlich.«
»Einer? Du sagst … einer? Ein einziger Mann legt sieben meiner Leute um? War das Supermann?«
»Es war Jerkov.«
»Halt die Klappe. Halt endlich die Schnauze, du Idiot. Ich will nichts mehr hören. Ich muss nachdenken.«
Zu viert beugten sie sich über das Papier, das sie im Kofferraum des orangefarbenen Volvo gefunden hatten.
»Kennst du die Adresse, Artur?«
»Das ist im alten Zollhafen, ganz sicher. Kostet eine schöne Stange Geld, da zu wohnen.«
»Du meinst doch wohl nicht die alten, verfallenen Lagerhäuser zwischen Südbrücke und Severinsbrücke?«
»David, man merkt, wie lange du weg warst«, schaltete sich Maja ein. »Der alte Zollhafen ist inzwischen die teuerste Lage Kölns. Unverbaubarer Rheinblick für Besserverdienende.«
»Das heißt …«
»… höchste Sicherheitsstandards«, vollendete Artur den Satz. »Im Klartext: Code-Schlösser, Videokameras, Bewegungsmelder, das ganze Programm … Zoran hat zwölf Jahre im Knast gesessen. Den Anschluss an die Technik verpasst. Da kann er nicht mehr mithalten. Keine Chance. Das wird er wissen.«
Kristina setzte sich an den Küchentisch, zog das Notebook heran und rief die Website des Flughafens auf.
»Die Maschine ist pünktlich gelandet. Vor zwei Minuten.«
»Warum nimmt Kecman einen Billigflieger?«
»Ein hilfloser Versuch der Tarnung. Er hat Angst.«
»Vor Zoran?«
»Klar. Vor wem sonst?«
»Wo wird Zoran ihm auflauern?«
»Jedenfalls nicht im Haus.«
»Auch nicht am Flughafen.«
»Warum nicht?«
»Weil dort Kecmans Wachsamkeit und die seiner Beschützer noch extrem hoch sein wird. Zoran lässt ihnen Zeit, sich zu entspannen, bevor er zuschlägt.«
»In spätestens zwanzig Minuten wird Kecman seinen Koffer vom Band nehmen und das Terminal verlassen. Wie lange braucht er schätzungsweise bis zu seiner Wohnung?«
»Wenn alles glattgeht, um diese Uhrzeit, ohne Berufsverkehr, und wenn der Fahrer richtig Gas gibt: zwanzig Minuten. Jedenfalls nicht so lange wie wir.«
»Leute, uns rennt die Zeit davon.«
David setzte sich, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und das Kinn in die Hände. Zoran, was hast du vor?
David, merk dir: Ein Versteck muss mindestens zwei Fluchtwege haben. Sonst ist es kein Versteck, sondern eine Falle …
»Artur … wo werden sie den Wagen parken?«
»Gleich unter Kecmans Wohnung. Die haben nämlich entlang des Flussufers eine gigantische Tiefgarage gebaut …«
»Wie viele Einfahrten?«
»Zwei. Eine am Südende, eine am Nordende des Tunnels. Jede Menge Fußgängerausstiege. Unter jedem Gebäude …«
»Auf geht’s, Artur.«
Maja sprang auf.
»Ich komme mit euch.«
»Auf keinen Fall. Du bleibst bei Kristina.«
»Aber er ist mein Bruder.«
David ließ sie stehen und folgte Artur auf den Hof. Sekunden später jagte der R4 mit jaulendem Motor durch das Tor.
Die Rheinau-Garage war nichts für Klaustrophobiker. Wegen des permanenten Hochwasserrisikos hatte man die längste Parkanlage Europas wie ein U-Boot konstruiert und dem fast zwei Kilometer langen Tunnel die Form einer Zigarettenschachtel verliehen. Selbst in sitzender Position, hinter dem Steuer eines Pkw, hatte man ständig das Gefühl, den Kopf einziehen zu müssen, um nicht gegen die verzinkten Versorgungsrohre an der Decke zu stoßen. Ohne die gelegentlichen Schwenks, bedingt durch die Fundamente einiger denkmalgeschützter Altbauten, hätte man mit einem Fernglas bequem von einem zum anderen Ende der Betonschachtel sehen können. Farbige Pfeiler links und rechts der Fahrbahn trennten jede einzelne der 1800 Parkbuchten voneinander ab. Die unterschiedlichen Farbzonen sollten die Orientierung erleichtern und helfen, den Weg zum richtigen der insgesamt 31 Treppenhäuser zu finden.
Sofern man die überirdischen Postadressen den unterirdischen Treppenhäusern zuordnen
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