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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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verschwunden.
    Erst brachte der Zufall den Ruhm, dann folgte der jähe Absturz. Zorans Haftentlassung hatte ihr Leben binnen kürzester Zeit auf den Kopf gestellt: Sie hatte keinen Job mehr, sie war aus ihrer Wohnung geflohen, weil wildfremde Leute ihr Leben bedrohten, sie hatte ihren gesamten Besitz auf den Inhalt einer Sporttasche reduziert und versteckte sich auf einem Schrottplatz, dessen schweigsamer Eigentümer ihr mit größtem Misstrauen begegnete, sie teilte sich ein stickiges, staubiges Mansardenzimmer mit einem Ex-Bullen und eine der beiden schmalen Matratzen auf dem Fußboden mit vermutlich einer Million Milben.
    Die Recherche war keine Meisterleistung gewesen, auch wenn sie dafür von Frank Koch gefeiert worden war. Da hatte sie in ihrem Journalistenleben schon weitaus schwierigere Aufgaben gelöst. Eigentlich war es sogar furchtbar einfach gewesen. Denn Zoran servierte ihr die Lösung auf dem Silbertablett: ein Alibi.
    Das Alibi hatte einen Namen: Tomislav Bralic, kroatischer Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Ursula, zu der auch das Eigelstein-Viertel gehörte. Damals, vor zwölf Jahren, war er noch Kaplan gewesen. Da wohnte Bralic noch nicht im Pfarrhaus unweit der Kirche, sondern in einer Dachwohnung in der Eintrachtstraße, nur einen Steinwurf vom Balkanrestaurant der Familie Jerkov entfernt.
    Tomislav Bralic versicherte nun plötzlich unter Eid, dass Zoran Jerkov ihn in der Mordnacht in seiner Dachwohnung in der Eintrachtstraße besucht habe. Man habe zunächst lange über den Krieg gesprochen, und schließlich über Basketball. Jerkov habe einen Schlafplatz gesucht, nicht für sich, sondern für ein vielversprechendes Talent aus Split, einen neunzehnjährigen Spieler mit außergewöhnlich sicherem Distanzwurf sowie erstaunlichem Durchsetzungsvermögen unter dem Brett, universell auf den Positionen zwei bis vier einsetzbar, den Jerkov an Bayer Leverkusen vermitteln wollte, es ging um den ärztlichen Check und um ein erstes Vorgespräch mit dem Coach und dem Management. Tomislav Bralic sagte zu, den jungen Landsmann kommende Woche für zwei Nächte im Gästezimmer des Pfarrhauses unterzubringen. Insgesamt habe Jerkovs überraschender nächtlicher Besuch drei Stunden gedauert. Dann habe Jerkov festgestellt, dass er sein Handy bei seiner Freundin vergessen hatte, und sei gegangen.
    Dem zuständigen Staatsanwalt fiel die Kinnlade runter, als Kristina mit dem Geistlichen und einem Kamerateam auftauchte. Warum er denn zwölf Jahre lang geschwiegen habe, wollte er von dem Pfarrer wissen. Weil er als Pfarrer und Zoran Jerkovs Beichtvater grundsätzlich der Schweigepflicht unterworfen sei, antwortete Tomislav Bralic seelenruhig und berief sich erstaunlich rechtskundig auf Paragraf 53, Absatz 1 der Strafprozessordnung, der Priester grundsätzlich bei allen Informationen, die ihnen während der Ausübung der Seelsorge anvertraut wurden, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigte.
    Vertreter von Berufsgruppen mit hohem gesellschaftlichem Ansehen, die zudem der Schweigepflicht unterlagen, waren als Entlastungszeugen unschlagbar; Pfarrer noch mehr als Ärzte, weil ihr Glaube die Lüge als Sünde definierte.
    Im Mordfall Zoran Jerkov musste die Kölner Staatsanwaltschaft, ob sie nun wollte oder nicht, ein neues Ermittlungsverfahren einleiten und die damaligen Indizienbeweise auf den Prüfstand stellen. In den vergangenen zwölf Jahren hatten sich die Möglichkeiten der DNA-Analyse erheblich verfeinert. Inzwischen ließen sich auch abgestorbene Zellen, also etwa Hautschuppen oder Haare selbst ohne Wurzel, zweifelsfrei zuordnen. Diese damals auf dem unbekleideten Körper der Toten sichergestellten und anschließend asservierten Spuren hatten im Prozess mangels kriminalwissenschaftlicher Verwertbarkeit keine Rolle gespielt. Jetzt aber ließ sich nachweisen, dass die fremden Hautschuppen auf Maries Körper auf keinen Fall von Zoran Jerkov stammen konnten. Da das tschechische Callgirl Marie Pivonka niemals Kunden in ihrer Privatwohnung empfing und unmittelbar vor ihrem Tod geduscht hatte, wie die Kriminaltechniker vor zwölf Jahren in ihrem Bericht protokolliert hatten, stammten die Hautschuppen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem unbekannten Mörder.
    Vermutlich hatte ihr Mörder geklingelt, Marie Pivonka hatte eilig die Dusche verlassen und die Wohnungstür geöffnet, davon überzeugt, dass Zoran vor der Tür stand.
    Oder jemand anderes hatte geöffnet, als es an der Wohnungstür

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