Bitter Love
wildem Geheulund einer Hand überm Ohr zur Haustür raste, als hätte ich ihm doch das Trommelfell durchstochen.
Als ich ihr die Pinzette zurückgab, kullerte die Rosine in ihren Schoß. Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und fuhr sich mit der Hand durch die wirren rotblonden Haare.
»Jungs«, sagte sie kopfschüttelnd und musste plötzlich kichern. »Danke für deine Hilfe, Liebes.«
»Schon in Ordnung«, sagte ich. Bevor ich etwas hinzufügen konnte, schepperte es in der Küche, Bethanys Hund Perry begann wie der Teufel zu bellen und ein anderer ihrer Brüder brüllte: »
Mom!«
Bethanys Mutter biss die Zähne zusammen, schlug sich mit den Handflächen auf die Oberschenkel und stürzte los.
Manchmal fragte ich mich, ob ich mein ach-so-schmerzlich-stilles Leben gegen das Tohuwabohu bei Bethany würde tauschen wollen, selbst wenn mir jemand eine Million Dollar dafür anbieten würde. Bei ihr zu Hause herrschte ständig Chaos und ihre Brüder machten alles kaputt. Ihr Vater arbeitete fast immer Nachtschicht und war darum nie zu denselben Zeiten wach und zu Hause wie der Rest der Familie. So musste Bethany, fügsam und fleißig, wie sie war, oft die Ersatzmutter spielen. Kein Wunder, dass sie die Welt retten wollte – das musste ihr wie ein Kinderspiel vorkommen im Vergleich zu der Aufgabe, in ihrer Familie für Ordnung zu sorgen.
Ich nahm meine Tasche und rannte hoch in Bethanys Zimmer, wo sie und Zack auf dem Bett saßen, den aufgeklappten Laptop vor sich. Die obligatorische Pizzaschachtel lag neben ihnen. Zack kaute und lachte gleichzeitig, die Augen auf den Bildschirm gerichtet.
»Tut mir leid, dass ich spät dran bin«, sagte ich, warf meine Tasche auf Bethanys Kommode, schnappte mir ein Stück Pizza und biss hinein. »Ich hab noch telefoniert.« Im gleichen Moment spürte ich, wie ich rot anlief, und auf einmal war ich mir unsicher, ob ich den Bissen runterkriegen würde, egal wie lange ich kaute.
Das war etwas Neues, aber in letzter Zeit war es mir schon ab und zu mal so ähnlich gegangen, wenn ich an Cole dachte, mit ihm redete oder ihn sah. Nachdem ich ihm am Montag mein Gedicht gezeigt hatte, schien ich ihm öfter über den Weg zu laufen als sonst. Jedes Mal warf er mir einen scheuen Gruß zu, winkte mir quer über den Parkplatz und solche Sachen. Und so langsam bekam ich das Gefühl, dass das etwas zu bedeuten hatte.
Heute Abend hatte er mich dann auf dem Handy angerufen, gerade als ich zu Hause aufbrechen wollte.
»Hey, Emily Dickinson«, hatte er gesagt und ich hatte mich auf einen Schlag gefühlt, als würde ich auf einem himmelhohen Berg stehen und in der dünnen Luft um Atem ringen.
»Halb so wild«, sagte Bethany, griff unters Bett und zog den grünen Ordner heraus, den wir inzwischen die »absurde Akte« getauft hatten. Er war vollgestopft mit allem Material über Colorado, das Bethany hatte auftreiben können. Reiserouten und Computerausdrucke waren darin abgelegt, es gab jede Menge Gutscheine und Broschüren, dazu ein paar steinalte, noch mit Buntstift geschriebene Listen von Stars, nach denen wir in Colorado Ausschau halten wollte. Ganz oben standen Ricky Martin und die Spice Girls. »Wir haben noch gar nicht angefangen.«
»Eine Strafe kriegst du trotzdem«, sagte Zack, als wäre er der Moderator einer Spielshow.
Bethany verdrehte die Augen. »Er hat sich einen Keks in die Socke geschoben«, erklärte sie mir.
»Igitt«, machte ich und ließ mich neben Zack aufs Bett fallen. »Falls du dir einbildest, dass ich den esse – nie im Leben.«
»Schön, dass du gleich alles ausplauderst«, maulte er Bethany an. »Hast du Cola oder sonst was zu trinken?«
»Unten im Kühlschrank«, antwortete Bethany abwesend, während sie einen Stapel Landkarten durchsah. »Bring mir eine mit.«
»Mir auch«, ergänzte ich.
»Na gut, euch zu dienen soll mein Leben sein«, sagte er und sprang vom Bett. »Hey, Mrs M!«, hörte ich ihn durchs Treppenhaus johlen, kaum dass er den Raum verlassen hatte.
Ich nutzte die Gelegenheit.
»Beth«, zischte ich.
»Hmm?« Sie kratzte sich am Kinn, ganz in eine der Landkarten vertieft. »He, ich glaub, da liegt so eine Art Dinosauriermuseum direkt am Weg.«
»Bethany!«, wiederholte ich, diesmal lauter. »Schnell, bevor Zack zurückkommt.« Ich machte ihr ein Zeichen, dass sie näher zu mir rücken sollte.
Sie blickte auf, klappte den Laptop zu und setzte sich neben mich. »Was denn?«, fragte sie und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Den Computer
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