Bitter Love
den wirklich schlimmen Tagen, an denen für mich alles zusammenbrach. Sie konnten mit mir eine Reise nach Colorado planen und mir versprechen, an meiner Seite zu sein, wenn ich irgendwann endlich auf dem Berggipfel stand. Sie konnten meine Familiengeschichte würdigen. Aber sie würden nie wissen, wie es war, in meiner Haut zu stecken. Ihre Familien waren glücklich und ganz. Sie lebten in einer heilen Welt. Sie hatten Liebe niemals schmerzlich entbehrt.
Cole dagegen wusste Bescheid. Cole war der Einzige, der mich wirklich kannte.
Und als er sich jetzt vorbeugte und mich küsste, vergab ich ihm alles, was am Abend zuvor passiert war. Ich sagte es nicht nur, es fühlte sich wirklich so an. Dannschob er mich nach hinten aufs Bett und flüsterte: »Alex, wir sind verwandte Seelen«, und drückte damit genau das aus, was ich empfand. Es war, als würde ich fallen, aber bei diesem Fallen gab es keinen Aufprall.
Und als Cole das Licht löschte und mich auf die Augenlider, die nackten Schultern und die Fingerspitzen küsste, öffnete ich mich ihm ganz und gar. Noch nie hatte mich jemand gewollt. Noch nie hatte ich wirklich jemandem angehört, nicht auf diese Art. Cole besaß mich ganz, mein Herz, meine Seele, meinen Körper.
Es war fast, als stünde ich auf einem Berggipfel.
Kapitel 20
Bethany und Zack standen an meinem Schließfach, als ich am Donnerstag nach der letzten Stunde um die Ecke kam. Mir wurde fast schlecht bei ihrem Anblick. Die ganze Woche über hatte ich Angst gehabt vor diesem Moment. Ich hatte wegen Samstagabend so ein schlechtes Gewissen, dass ich ihnen seither aus dem Weg gegangen war. Doch nächste Woche war Thanksgiving, da waren Dad, Celia und ich immer bei Zacks Familie zum Essen eingeladen, und nach dem Essen fuhren Zack und ich jedes Jahr zu Bethany und halfen ihr, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Es war also klar, dass ich mich ihnen irgendwann stellen musste. Aber ich hatte keine Ahnung, was ich dann sagen sollte.
Zack lehnte superlässig mit dem Rücken am Schließfach neben meinem und guckte teilnahmslos Richtung Schultor, wo die letzten Nachzügler zu ihren Autos strömten und mit aufheulenden Motoren den Parkplatz verließen. Bethany schaute mir entgegen, die Arme unbehaglich vor der Brust verschränkt. Das Gewicht der Monstertasche zog ihre Schulter nach unten. Oben guckten ein paar welke Blätter heraus. Wahrscheinlich hatte Bethany mal wieder einen Pflanzentrieb gerettet, der aus einem Spalt im Beton wuchs.
Zacks Gesicht war anzusehen, dass das hier ziemlichübel werden würde. Ich konnte den beiden keinen Vorwurf machen, wenn sie stinksauer waren, weil ich am Samstag nicht aufgekreuzt war. Aber ich wusste auch, sie würden nie im Leben verstehen, warum ich nach allem, was an diesem Abend zwischen Cole und mir passiert war, nicht einfach hatte weggehen können.
Ich wollte Bethany so gern erzählen, dass ich mein »erstes Mal« erlebt hatte und wie es gewesen war: total wahnsinnig und unwirklich. Ich hatte Angst gehabt, zugleich war ich furchtbar verliebt und wusste genau, dass für mich in diesem Moment alles stimmte.
Doch mir war klar, dass sie es nicht gut finden würde. Sie würde mir trotzdem vorwerfen, dass ich nicht zu dem verabredeten Treffen gekommen war, und war ganz bestimmt der Meinung, ich hätte das nicht tun sollen, schon gar nicht mit Cole. Sie würde sich nicht für mich freuen.
Und da war noch etwas. Etwas war passiert in dem Moment, als Cole mich gefragt hatte, ob das, was er da tat, okay für mich war. Ich hatte mich verwandelt. Ich würde niemals wieder »ihre Alex« sein. Die beiden mussten mich jetzt mit Cole teilen, denn er hatte etwas von mir, das sie nie haben würden und das ich nie von ihm zurückbekäme. Bethany und Zack, die beide noch nie Sex gehabt hatten (auch wenn Zack uns immer einzureden versuchte, er hätte praktisch mit Lynesia Mahan geschlafen, damals in der Siebten im Kino), würden mich niemals verstehen.
Ich war eine andere geworden.
Aber Cole war heute nicht in der Schule gewesen – er hatte mir eine SMS geschrieben, dass er »Familiensachen«zu erledigen hätte –, also musste ich ihnen alleine gegenübertreten.
»Hey«, sagte ich so gut gelaunt wie möglich.
Zack reagierte überhaupt nicht.
»Schade, dass du am Samstag nicht gekommen bist«, sagte Bethany. »Wir haben auf dich gewartet.« Sie löste kurz die Arme, um ihre Brille ein Stück hochzuschieben, dann verschränkte sie sie wieder. Anscheinend war sie nicht mehr
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