Bitter Love
meinem Arm gelegen hatte, war mir jetzt kalt. Ich fröstelte.
Zack winkte mir im Hinausgehen zu und formte ein »Tut mir leid« mit den Lippen. Ich blieb alleine übrig, mit einem halb vollen Blech Kekse, das ich mühselig mit einer Hand neben mir auf die Theke stellte, während ich die andere tief in meiner Schürzentasche versteckt hielt.
Ich zog sie heraus und begutachtete das Handgelenk. Es war Blödsinn gewesen zu denken, das Make-up würde die Fingerabdrücke überdecken. Sie waren immer noch sichtbar, als widerliche dunkle Schatten unter dem beigen Geschmier.
Und Georgia hatte sie definitiv bemerkt. Sie hatte direkt draufgestarrt. Durch Abdeckcreme, Foundation und Puder hindurch hatte sie die abstoßende Verletzung darunter gesehen.
Die Frage war nur: Konnte sie auch in mich hineinblicken?
Kapitel 24
Ich überlegte, ob ich einfach in Georgias Büro stürmen, mein Handgelenk hochhalten und ihr die ganze Geschichte erzählen sollte.
Schließlich gehörte das genau zu den Dingen, die du einer Mutter anvertrauen würdest, überlegte ich mir. Du würdest ihr die Blutergüsse zeigen und dich bei ihr ausweinen, ihr gestehen, dass du ihn trotzdem noch liebst, und sie dann fragen, was du jetzt tun sollst. Und sie würde dir helfen und dir versichern, dass sie dich versteht, dass du wunderbar bist und dass das hier nichts darüber aussagt, was für ein Mensch du bist.
Aber als ich am Ende der Schicht in Georgias Büro kam, um mich abzumelden, saß sie mit einem zerknäulten Papiertaschentuch in der Hand da, ihre Stimme klang brüchig und die Nase war verstopft. Es war offensichtlich, dass ich mich jetzt nicht von ihr auffangen lassen konnte. Heute war nicht der Tag, an dem sie mir die Mutter ersetzen konnte. Bei meiner richtigen Mutter hätte das keine Rolle gespielt, denn eine Mutter ist nun mal eine Mutter, egal, ob sie einen guten Tag hat oder einen schlechten. Aber auch wenn Georgia
wie eine Mutter
für mich war, war sie es eben nicht wirklich und würde es niemals sein, also musste sie ab und zu auch freinehmen können von dieser Rolle.
Da fiel mir Brenda ein, die anscheinend überhaupt nur schlechte Tage hatte, und Cole tat mir auf einmal trotz allem wieder leid. Ich verstand, warum er so wütend und gestresst war, denn er hatte ja auch niemanden, der ihm den Rücken stärkte. Und so langsam wurde mir klar, dass diese Szene gestern eben doch etwas darüber aussagte, was für ein Mensch ich war – ich war jemand, der Entschuldigungen dafür suchte, dass mir mein Partner wehtat.
Während ich vorhin die restlichen Cookies nachgefüllt hatte, war Geschrei zu hören gewesen, das gedämpft durch die geschlossene Tür des Büros drang. Es war ewig lang so gegangen: Daves genervte Stimme war lauter und lauter geworden, dann war er zwischendrin kurz einmal leiser gewesen, hatte aber gleich wieder angefangen zu brüllen. Georgias Antworten dagegen waren immer in der gleichen Lautstärke gekommen.
Am Schluss war Dave davongestürmt und Sekunden später sah ich seinen silbernen Lexus mit quietschenden Reifen über die Ampel schießen. Aber bevor ich nach hinten ins Büro gehen und nach Georgia schauen konnte, brach der Abendbetrieb los und ich kam zu nichts anderem mehr als den Suppenbestellungen.
Ich hatte gehört, wie Georgia die Tresortür schwer ins Schloss fallen ließ und wie ihr Bürostuhl knarrte, als sie sich aufrappelte. Dann hatte sie sich in die Küche zurückgezogen, wo sie bis kurz vor meinem Schichtende geblieben war.
»Tut mir leid«, sagte ich, während ich meinen Code eingab, um mich auszuloggen. »Ich hab die beiden echt angefleht, sie sollen das lassen. Hoffentlich hast du wegen mir keinen Ärger gekriegt.«
Sie stützte einen Ellbogen auf und legte die Stirn in die Handfläche, dann blickte sie mich an, mit rot geränderten, feuchten Augen hinter den Brillengläsern. »Nein, ich nicht«, sagte sie. »Aber dir hab ich den Arsch gerettet. Noch mal krieg ich das bestimmt nicht hin.«
»Tut mir leid«, wiederholte ich. »Ich meine, danke. Ich …«
»Lass«, unterbrach sie mich. »Der ist einfach ein Idiot. Bringt nichts, ihn ernst zu nehmen und auf seinen Schwachsinn auch noch einzugehen. Der hat keinen blassen Schimmer von so was wie Mitgefühl.«
Eine Träne lief unter ihrer Brille hervor, sie wischte sie weg.
»Georgia?«, fragte ich leise. »Alles okay?«
Ich hätte schwören können, dass ihr Blick für den Bruchteil einer Sekunde mein Handgelenk streifte. Sie stand auf,
Weitere Kostenlose Bücher