Bitter Love
dich in dieses Buch total verlieben würdest.« Er fuhr mit der Fingerspitze über das Foto eines Berges mit einem eisbedeckten Gipfel. Der Himmel dahinter war so blau, dass er mich sehnsüchtig nach frischer, klarer Luft und tiefen Atemzügen machte. »Da draußen wirst du deine Antworten finden, Baby. Ich kann’s spüren.«
»Cole«, begann ich, wusste aber nicht weiter. Er hatte immer gesagt, dass er mich verstand, doch das hatten Bethany und Zack auch getan. Trotzdem war mir bei all dem Gerede über Skihäschen, heiße Boygroups und neue Klamotten nie ganz klar gewesen, ob Bethany und Zack wirklich begriffen hatten, was mir die Berge bedeuteten – dass Colorado keine bloße Marotte von mir war und dass es mir nicht um eine Ferienreise ging.
Aber jetzt wusste ich es. Ich wusste, dass mich zumindest ein Mensch verstand. Cole verstand mich. Er verstand alles.
»Ach, und das wollte ich dir auch noch kaufen«, sagte er, stand auf und ging zur anderen Seite des Bücherregals, während ich weiter den Bildband betrachtete und noch mal zu den Fotos zurückblätterte, die ich anfangs schon angeschaut hatte. Er kam mit zwei Landkarten zurück, die er in meinen Schoß fallen ließ: Colorado und Kansas. »Ich glaub ja nicht, dass ihr euch verfahrt, aber für alle Fälle. Das hier sind die besten, wasserabweisend und so.«
Ich nahm die Karten in die eine Hand und klappte mitder anderen das Buch zu, dann griff ich nach dem Reiseführer.
»Der ist großartig«, sagte ich.
»Oh, und noch was.« Er schob ein paar Disney-World-Führer zur Seite und brachte ein Taschenbuch zum Vorschein: Emily Dickinson. »Falls dich die Berge zum Gedichteschreiben inspirieren.«
Ich nahm das Buch und drückte es mir an die Brust. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Wir gingen Richtung Kasse. Als Cole seine Geldbörse herausholte und der Verkäuferin ein Bündel Zwanziger in die Hand drückte, begriff ich, dass ich genau deshalb bei ihm geblieben war, als alles so schlecht lief. Weil ein paar blaue Flecken nicht weiter wichtig waren vor dem Hintergrund, dass Cole mich verstand, wie mich noch nie zuvor ein Mensch verstanden hatte. Weil wir beide einfach füreinander bestimmt waren.
Ich stand hinter ihm, während die Verkäuferin ihm das Rückgeld gab und die Bücher in eine Tüte packte. Ich legte die Stirn auf seinen Rücken und war unendlich glücklich.
»Ich liebe dich«, flüsterte ich in sein Hemd.
Kapitel 31
Das Schulbasketballteam hatte eine elend schlechte Saison und so war es fast schon ein Wunder, dass sich unsere Schule überhaupt für dieses Turnier qualifiziert hatte. Man spürte die Anspannung auf der Tribüne. Vor allem die Eltern hofften auf einen entscheidenden Sieg der Mannschaft, der die Wende einläuten würde. Den Schülern in der Menge ging es wohl mehr darum, Spaß zu haben. Sich voreinander zu produzieren. Das Gefühl von Freiheit zu genießen. In der Schule abzuhängen, ohne dass Unterricht war. Ein bisschen zu schlägern oder rumzuknutschen, ein bisschen schriller geschminkt zu sein als sonst.
Ich war alleine dort. Bethany hatte ich seit vierzehn Tagen nicht mehr gesehen, zuletzt an dem Wochenende, an dem wir zusammen bei Zack gewesen waren, um ihm beim Lernen seiner Rolle zu helfen – ich hatte mich den ganzen Abend über wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Cole war Bethany gegenüber mittlerweile entspannter, aber ihre einzige Reaktion war, dass sie mich links liegen ließ. Sie hatte an dem Abend bei Zack kaum mit mir gesprochen, wohl nicht aus Ärger über mich, sondern weil sie offenbar nicht wusste, was sie mit mir reden sollte. Es war das erste Mal überhaupt, dass ich mir in Gegenwart von Bethany und Zack wie ein Eindringlingvorkam. Wir waren immer das Katastrophen-Trio gewesen, das Monster mit den drei Köpfen. Jetzt waren es die beiden … und ich.
Wahrscheinlich war Bethany auch jetzt bei Zack und ging seinen Text mit ihm durch, statt zum Spiel zu kommen. Vielleicht waren die beiden aber auch im Kino. Jedenfalls wurde mir wieder einmal klar, dass ich von ihrem alltäglichen Geplapper und ihren Plänen nichts mehr mitbekam.
Sogar wenn Zack und ich zusammen Lernlabor hatten, arbeiteten wir fast die ganze Zeit. Es gab kaum noch Persönliches zwischen uns beiden. Er machte keine Witzchen mehr, sondern saß nur da und beantwortete brav meine Fragen.
Hätte ich ein Gedicht über unsere Freundschaft schreiben wollen, hätte ich die Wörter
beklommen
und
gekünstelt
benutzen
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