Bitter Süsse Tode
alles, was ich tun konnte. Keiner Worte, keiner wirklichen Gedanken war ich fähig, ich wusste nur, ich würde nicht von diesem Stuhl aufstehen. Wenn ich jetzt zu ihm ginge, dann hätte er Macht über mich wie über Catherine. Der Schweiß hatte meine Bluse im Rücken durchtränkt.
»Komm zu mir, sofort!«
Ich stand und wusste nicht, wie ich aufgestanden war. Lieber Gott, hilf mir! »Nein!« Ich grub die Fingernägel in die Handflächen. Ich riss mir die Haut herunter und hieß die Schmerzen willkommen. Ich konnte wieder atmen.
Sein Geist wich zurück wie die Brandung der See. Ich fühlte mich schwindlig und leer. Ich sank gegen den Tisch. Einer der Vampirkellner kam mir zu Hilfe. »Wehren Sie sich nicht. Er wird wütend, wenn Sie sich wehren.«
Ich schob ihn weg. »Wenn ich mich nicht wehre, wird er mich besitzen!«
Der Kellner sah beinahe menschlich aus, ein Neuer. Da lag etwas in seinem Blick. Es war Angst.
»Ich komme auf die Bühne, wenn Sie mich nicht zwingen«, rief ich dem Wesen dort oben zu.
Monica keuchte. Ich beachtete sie nicht. Nichts zählte, außer die nächsten Augenblicke zu überstehen.
»Dann komm endlich«, sagte der Vampir.
Ich ließ den Tisch los und merkte, dass ich stehen konnte, ohne umzufallen. Ein Punkt für mich. Ich konnte sogar gehen. Zwei für mich. Ich blickte auf den harten, glänzenden Boden. Wenn ich mich nur auf das Gehen konzentrierte, würde ich zurechtkommen. Die erste Stufe zur Bühne kam in Sicht. Ich schaute nach oben.
Aubrey stand in der Mitte. Er versuchte nicht, mich zu rufen. Er stand vollkommen still. Gerade so, als wäre er gar nicht da, ein furchtbares Nichts. Ich spürte seine Reglosigkeit wie den Puls an meiner Schläfe. Ich glaube, er hätte in vollem Scheinwerferlicht dort stehen können, und ich hätte ihn nicht gesehen, wenn er es nicht gewollt hätte.
»Komm.« Keine Stimme, nur ein Klang in meinem Kopf. »Komm zu mir.«
Ich versuchte zurückzuweichen und konnte es nicht. Das Herz schlug mir im Hals. Ich konnte keine Luft holen. Ich erstickte! Die Macht seines Geistes schnürte mich zusammen.
»Kämpfe nicht gegen mich an!«, schrie er in meinem Kopf.
Jemand kreischte, und das war ich. Wenn ich zu kämpfen aufhörte, würde es ganz sanft gehen, wie das Ertrinken, wenn man nicht mehr zappelte. Ein friedlicher Tod. Nein, nein.
»Nein.« Meine Stimme klang fremd, selbst für mich.
»Was?« Er war überrascht.
»Nein«, sagte ich und blickte ihn an. Ich begegnete seinem Blick und der ganzen Last der Jahrhunderte, die gegen mich anstürmten. Was auch immer es war, das mich zum Animator machte, das mich befähigte, die Toten zu wecken, es war jetzt da. Ich hielt ihm stand und war ruhig.
Er lächelte darauf, ein langsames Offnen der Lippen. »Dann komme ich zu dir.«
»Bitte, bitte nicht.« Ich konnte nicht von ihm fort. Sein Geist hielt mich wie flüssiger Stahl. Mir war nichts anderes mehr möglich, als mich nicht auf ihn zuzubewegen. Ihm nicht entgegenzulaufen.
Er blieb stehen, als wir einander fast berührten. Seine Augen waren ein kräftiges, perfektes Braun von endloser Tiefe. Ich sah weg. Der Schweiß lief mir über die Stirn.
»Du riechst nach Angst, Anita.«
Seine kühle Hand streifte meine Wange. Ich begann zu zittern und konnte nicht damit aufhören. Seine Finger strichen sacht durch mein welliges Haar. »Wie kannst du dich mir so entgegenstellen?«
Er hauchte mir ins Gesicht, erregend wie Seide. Sein Atem bestrich meinen Hals, warm und dicht. Er holte tief und bebend Luft. Sein Verlangen brandete über meine Haut. Mein Magen zog sich darunter zusammen. Er zischte ins Publikum, und die Leute kreischten vor Schrecken. Er würde es tun.
Angst schoss mir durch den Körper und nahm mir die Sicht. Ich zwang mich von ihm fort, fiel auf die Bühne, kroch auf Händen und Knien.
Ein Arm packte mich um die Hüfte, hob mich hoch. Ich schrie, stieß mit den Ellbogen nach rückwärts. Ich traf gründlich und hörte ihn keuchen, aber der Arm drückte fester zu. Drückte zu, bis ich zu zerbrechen drohte.
Ich zog an meinem Ärmel. Der Stoff riss. Er warf mich auf den Rücken, kauerte sich über mich, das Gesicht verzerrt vor Gier. Seine Lippen waren zurückgezogen, die Fänge blitzten mich an.
Jemand kam auf die Bühne, einer der Kellner. Der Vampir fauchte ihn an, der Speichel lief ihm über das Kinn. Er hatte nichts Menschliches mehr.
Er kam über mich mit rasender Schnelligkeit. Ich drückte ihm das silberne Messer über dem Herzen an die
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