Bitter Süsse Tode
Brust. Ein Rinnsal Blut zeigte sich glänzend auf der Haut. Er knurrte, knirschte mit den Zähnen wie ein Hund, der an seiner Kette reißt. Ich schrie.
Der Schreck hatte seine Macht davongeschwemmt. Es war nichts mehr übrig als Angst. Er stürzte sich auf mich und trieb sich das Messer tiefer ins Fleisch. Blut lief mir über die Hand und auf die Bluse. Sein Blut.
Plötzlich war Jean-Claude bei uns. »Aubrey, lass sie los.«
Der Vampir knurrte tief im Rachen. Es war ein tierhafter Laut. Meine Stimme war vor Angst hoch und dünn; ich hörte mich an wie ein kleines Mädchen.
»Holen Sie ihn runter von mir, oder ich töte ihn!«
Der Vampir richtete sich ein wenig auf, seine Fänge ritzten die eigenen Lippen. »Runter von mir!«
Jean-Claude begann leise Französisch zu sprechen. Ich konnte die Sprache nicht verstehen, aber es klang samtweich, beruhigend. Er kniete sich neben uns, während er sacht auf ihn einredete. Der Vampir knurrte und packte ihn plötzlich am Handgelenk.
Jean-Claude keuchte auf. Es klang nach Schmerzen.
Sollte ich ihn töten? Würde ich das Messer hineintreiben können, bevor er mir die Kehle zerfetzte? Wie schnell war er? Mein Verstand arbeitete wie rasend. Zugleich war da die Illusion, ich hätte alle Zeit der Welt, um mich zu entscheiden.
Ich spürte ihn schwerer auf meinen Beinen lasten. Er klang heiser, aber ruhig. »Darf ich jetzt aufstehen?«
Er sah wieder menschlich aus, freundlich, gut aussehend, aber die Illusion verfing nicht mehr. Ich hatte ihn demaskiert gesehen, und dieses Bild würde immer erhalten bleiben. »Runter von mir, langsam.«
Er lächelte, ein langsames, zuversichtliches Offnen der Lippen. Er bewegte sich von mir fort, menschlich langsam. Jean-Claude winkte ihn fort, bis der Vampir beim Vorhang stand.
»Geht es Ihnen gut, ma petite?«
Ich sah das blutige Messer an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
»Ich wollte nicht, dass das passiert.« Er half mir, mich aufzusetzen, und ich ließ ihn gewähren. Im Raum war es still geworden. Die Zuschauer wussten, dass etwas schief gegangen war. Sie hatten die Wahrheit hinter der charmanten Fassade gesehen. Ich sah da unten eine Menge bleicher, verängstigter Gesichter.
Mein rechter Ärmel hing lose, wo ich ihn zerrissen hatte, um an das Messer zu kommen.
»Bitte, stecken Sie das Messer weg«, bat Jean-Claude.
Ich starrte ihn an, und zum ersten Mal sah ich ihm in die Augen und spürte nichts. Nichts als Leere.
»Mein Ehrenwort, dass Sie den Club sicher verlassen können. Stecken Sie das Messer weg.«
Ich brauchte drei Versuche, um es in die Scheide zu schieben, so sehr zitterten mir die Hände. Jean-Claude lächelte mich mit zusammengepressten Lippen an. »Und jetzt verlassen wir die Bühne.« Er half mir aufzustehen. Ich wäre gefallen, wenn er mich nicht aufgefangen hätte. Er nahm mich fest bei der Hand, seine Spitze streifte meine Haut. Sie war überhaupt nicht weich.
Die andere Hand streckte er Aubrey entgegen. Ich versuchte, ihn wegzuziehen, aber er flüsterte: »Keine Angst, ich werde Sie beschützen, das schwöre ich.«
Ich glaubte ihm. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil ich sonst niemandem glauben konnte. Er führte Aubrey und mich an den Bühnenrand. Seine klangvolle Stimme streichelte die Zuhörer. »Wir hoffen, Sie hatten Freude an unserem kleinen Melodram. Es war sehr realistisch, nicht wahr?«
Die Leute raschelten unbehaglich, die Furcht war ihnen anzusehen. Jean-Claude lächelte in die Menge und ließ Aubreys Hand los. Er knöpfte mir den Ärmel auf und schob ihn zurück, bis die Brandnarbe zu sehen war. Das Kreuz hob sich dunkel ab. Die Leute waren still, verstanden nicht. Jean-Claude schob die Hemdspitze beiseite und entblößte seine eigene kreuzförmige Narbe auf der Brust.
Einen Augenblick lang herrschte erstauntes Schweigen, dann donnerte der Applaus. Schreie und Zurufe und Pfiffe von allen Seiten.
Sie dachten, ich sei ein Vampir, und alles wäre nur ein Spiel gewesen. Ich schaute in Jean-Claudes lächelndes Gesicht und auf die beiden zusammenpassenden Narben, seine auf der Brust, meine am Arm.
Jean-Claude zog mich zu einer Verbeugung hinunter.
Als der Applaus schließlich nachließ, flüsterte er: »Wir müssen miteinander reden, Anita. Das Leben Ihrer Freundin Catherine hängt jetzt von Ihnen ab.«
Ich begegnete seinem Blick und sagte: »Ich habe die Kerle umgebracht, die mir diese Narbe zugefügt haben.«
Er lächelte breit, zeigte nur die Spitzen seiner Reißzähne.
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