Bitter Süsse Tode
zwischen die Lippen. Er drückte das orange glühende Ende an das frische und saugte die Luft an. Papier und Tabak fingen die Glut, flammten orangerot auf, und er drückte den Stummel in dem randvollen Aschenbecher aus, den er überallhin mitnahm wie einen Teddybär.
»Ich weiß, dass sie unten im Club einen Tänzer haben, der ein Freak ist. Er treibt sich auf Partys rum und ist mächtig beliebt bei einer bestimmten Sorte Vampir.« Luther zuckte die Achseln, eine enorme Bewegung, wie ein Berg mit Schluckauf. »Hat keinen Dreck am Stecken, außer dass er'n Junkie ist und zu den Partys geht. Scheiße, Anita, das ist schlimm genug. Hört sich an wie einer, den man meiden sollte.«
»Das täte ich, wenn ich könnte.« Jetzt war es an mir, die Achseln zu zucken. »Aber sonst hast du nichts über ihn gehört?«
Er überlegte kurz, zog an der neuen Zigarette. »Nein, kein Wort. Er ist keine große Nummer im Bezirk. Aber das geborene Opfer. Das meiste Gerede hier dreht sich um die Wölfe, nicht um die Schafe.« Er runzelte die Stirn. »Augenblick mal. Mir fällt da was ein, nur so eine Idee.« Er dachte ein paar Minuten lang sorgfältig nach, dann grinste er breit. »Tja, es ist was über einen Wolf. Vampir, nennt sich Valentine und trägt eine Maske. Hat sich damit gebrüstet, dass er den guten Philip zum ersten Mal flachgelegt hat.«
»So«, sagte ich.
»Nicht erst, als er ein Junkie war, Mädchen, sondern überhaupt. Valentine behauptet, er hätte den Jungen angesprungen, als er noch klein war, hat's ihm besorgt. Meint, dem lieben Philip hätt's so gut gefallen, dass er darum ein Junkie geworden ist.«
»Großer Gott.« Ich dachte an meine Albträume und an die wirkliche Begegnung mit Valentine. Wie erlebte man das, wenn man klein war? Was hätte das aus mir gemacht?
»Du kennst Valentine?«, fragte Luther.
Ich nickte. »Ja. Hat er je erwähnt, wie alt Philip war, als der Überfall stattfand?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber es heißt, jeder über zwölf ist zu alt für Valentine, außer es geht um Rache. Auf Rache ist er wirklich scharf. Es heißt, wenn der Meister ihn nicht an der Kandare hätte, dann wäre er verdammt gefährlich.«
»Darauf kannst du Gift nehmen, dass er gefährlich ist.«
»Du kennst ihn.« Das war keine Frage.
Ich blickte auf. »Ich muss wissen, wo Valentine tagsüber bleibt.«
»Das sind zwei Infos umsonst. Das geht nicht.«
»Er trägt eine Maske, weil ich ihn vor zwei Jahren mit Weihwasser begossen habe. Bis letzte Nacht habe ich geglaubt, er wäre tot, und er hat dasselbe von mir geglaubt. Er wird mich umbringen, wenn er kann.«
»Du bist schrecklich schwer umzubringen, Anita.«
»Es gibt für alles ein erstes Mal, Luther, und mehr ist nicht nötig.«
»Das hab ich auch gehört.« Er fing an, völlig blanke Gläser zu polieren. »Ich weiß nicht. Wenn sich herumspricht, dass wir dir Schlafplätze verraten, könnte das schlecht für uns ausgehen. Sie könnten uns die Bude abbrennen, während wir drin sind.«
»Du hast Recht. Es steht mir nicht zu, dich zu fragen.« Aber ich saß auf dem Barhocker, sah ihn mit großen Augen an und wollte ihn durch reine Willensanstrengung zwingen, mir zu geben, was ich haben wollte. Riskiere dein Leben für mich, alter Junge, Mensch, ich würde für dich das Gleiche tun. Na sicher.
»Wenn du schwören würdest, die Info nicht zu benutzen, um ihn zu töten, könnte ich's dir sagen.«
»Es wäre eine Lüge.«
»Hast du eine Vollmacht, ihn zu töten?«, fragte er.
»Nicht direkt, aber ich könnte eine bekommen.«
»Würdest du so lange warten?«
»Es ist illegal, einen Vampir zu töten ohne gerichtlichen Befehl«, erwiderte ich.
Er sah mich an. »Das war nicht die Frage. Würdest du vorher handeln, um bei der Tötung sicherzugehen?«
»Möglich.«
Er schüttelte den Kopf. »Du wirst eines Tages noch vor Gericht landen, Mädchen. Mord ist eine ernste Anklage.«
Ich zuckte die Achseln. »Immer noch besser, als wenn einem die Kehle aufgerissen wird.«
Er sah mich groß an. »Also, nun.« Ihm schienen die Worte zu fehlen, also polierte er weiter das blitzende Glas in seinen großen Händen. »Ich werde Dave fragen müssen. Wenn er sagt, es geht, dann kannst du die Info kriegen.«
Ich trank meinen Orangensaft aus und bezahlte sofort, samt einem üppigen Trinkgeld, um die Sache klar zu machen. Dave würde nie zugeben, mir geholfen zu haben, wegen meiner Verbindung zur Polizei, darum musste das Geld den Besitzer wechseln, auch wenn es
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