Bitter Süsse Tode
ihren Arm um Crystal und führte sie weg. Dabei machte sie tröstende Geräusche und tätschelte ihr die schwarzseidenen Arme.
»Sehr unfreundlich«, bemerkte Rochelle. Sie entfernte sich von mir und ging an die Hausbar. Harvey war ebenfalls gegangen. Er folgte Madge und Crystal, ohne sich noch einmal umzusehen.
Man hätte meinen können, ich hätte ein Hündchen getreten. Philip atmete lange und tief aus und setzte sich auf die Couch. Er faltete die Hände zwischen den Knien. Ich setzte mich dicht neben ihn und zog mir den Rock über die Knie.
»Ich glaube nicht, dass ich das kann«, flüsterte ich.
Ich berührte ihn am Arm. Er zitterte, es war ein konstantes Zittern, das mir gar nicht gefiel. Ich hatte nicht gewusst, was es ihn kostete, hierher zu kommen, aber ich fing an zu begreifen.
»Wir können gehen«, schlug ich vor.
Er wandte sehr langsam den Kopf und sah mich an. »Was meinen Sie damit?«
»Ich meine, dass wir gehen können.«
»Sie würden jetzt gehen, ohne etwas herausgefunden zu haben, nur weil ich Schwierigkeiten damit habe?«, fragte er.
»Sagen wir einfach, als übertrieben selbstbewusster Schäker gefallen Sie mir besser. Wenn Sie sich noch weiter so benehmen, ohne sich zu verstellen, werden Sie mich ganz verlegen machen. Wir können gehen, wenn Sie nicht klarkommen.«
Er holte tief Luft und ließ sie langsam raus, dann schüttelte er sich wie ein Hund, der aus dem Wasser kommt. »Ich komme klar. Wenn ich die Wahl habe, komme ich klar.«
Jetzt war ich es, die ihn verblüfft ansah. »Warum hatten Sie vorher keine Wahl?«
Er wich meinem Blick aus. »Ich dachte einfach, ich müsste Sie herbringen, wenn Sie es wollten.«
»Nein, verdammt, das haben Sie überhaupt nicht gemeint.« Ich nahm sein Gesicht und zwang ihn, mich anzusehen. »Jemand hat Ihnen den Befehl gegeben, mich gestern aufzusuchen, nicht wahr? Es ging nicht darum, zu erfahren, was mit Jean-Claude ist, stimmt's?«
Seine Augen waren groß, und ich konnte seinen Puls unter meinen Fingern fühlen. »Wovor haben Sie Angst, Philip? Wer gibt Ihnen Befehle?«
»Anita, bitte, ich kann nicht.«
Meine Hand fiel in den Schoß. »Was für Befehle haben Sie, Philip?«
Er schluckte, und ich sah, wie seine Kehle arbeitete. »Ich soll Sie hier beschützen, das ist alles.« Sein Puls hüpfte unter dem geschwollenen Bissmal an seinem Hals. Er leckte sich über die Lippen, nicht verführerisch, sondern nervös. Er log mich an. Die Frage war nur, wie sehr und worüber.
Ich hörte Madges Stimme den Gang herunterkommen, ganz fröhliche Verlockung. Was für eine gute Gastgeberin. Sie geleitete zwei Leute ins Zimmer. Eine Frau mit kurzem kastanienbraunen Haar und zu viel Augen-Make-up, als hätte sie sich mit grüner Kreide beschmiert. Der andere war Edward, lächelnd, von seiner reizendsten Seite, einen Arm um Madges nackte Taille gelegt. Sie gab ein klangvolles, kehliges Lachen von sich, als er ihr etwas ins Ohr flüsterte.
Ich erstarrte, nur eine Sekunde. Das kam so unerwartet, dass ich einfach erstarrte. Wenn er eine Waffe gezogen hätte, hätte er mich töten können, während ich mit offenem Mund dasaß. Was zum Teufel tat er hier?
Madge führte ihn und die Frau an die Bar. Er schaute über ihre Schulter hinweg zu mir und warf mir ein leises Lächeln zu, bei dem seine blauen Augen maskenhaft leer wurden.
Ich wusste, meine vierundzwanzig Stunden waren noch nicht um. Ich wusste das. Edward hatte beschlossen, sich hier nach Nikolaos umzusehen. War er uns gefolgt? Hatte er Philips Nachricht auf meinem Gerät abgehört?
»Was ist los?«, fragte Philip.
»Was los ist?«, sagte ich. »Sie nehmen Befehle von jemandem entgegen, wahrscheinlich von einem Vampir...« Ich beendete die Feststellung im Stillen: Und der Tod ist soeben durch die Tür getanzt, um Freak zu spielen, während er nach Nikolaos sucht. Es gab nur einen möglichen Grund, wenn Edward nach einem bestimmten Vampir suchte. Er wollte ihn töten, wenn sich die Gelegenheit ergäbe.
Der Meuchelmörder mochte endlich seinen Meister gefunden haben. Ich hatte immer gedacht, ich wollte dabei sein, wenn Edward am Ende unterlag. Ich hatte diese Beute gesehen, persönlich und aus nächster Nähe. Wenn Edward und Nikolaos sich begegneten und sie auch nur ahnte, dass ich die Hand im Spiel hatte... Scheiße. Scheiße, Scheiße, Scheiße!
Ich sollte Edward ausliefern. Er hatte mir gedroht, und er würde es wahr machen. Er würde mich foltern, um die Information zu bekommen. Was schuldete ich
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