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Bitter Süsse Tode

Titel: Bitter Süsse Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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konnten. Gerüchte, Legenden, Ammenmärchen. Vielleicht aber auch nichts Dergleichen.
    Estelle Hewitt mochte einmal hübsch gewesen sein, aber hundert Jahre im Grab nehmen einen Menschen sehr mit. Ihre Haut hatte ein hässliches Grauweiß, war wächsern und wirkte künstlich. Die Hände steckten in weißen Handschuhen, die von der Erde fleckig waren. Das Kleid war weiß und mit Spitzen besetzt. Ich tippte auf Hochzeitsstaat. Lieber Gott.
    Schwarzes Haar klebte ihr in einem Knoten am Kopf, ein paar Strähnen hatten sich über das fast skelettierte Gesicht gelegt. Alle Knochen waren zu sehen, so als wäre Lehm über ein Gerüst modelliert. Ihre Augen blickten wild und finster, zeigten zu viel Weiß. Wenigstens waren sie nicht verschrumpelt wie Rosinen. Das fand ich abscheulich.
    Estelle saß auf ihrem Grab und versuchte, sich zu sammeln. Es würde eine Weile dauern. Selbst die frisch verstorbenen brauchten ein paar Minuten, um sich zu orientieren. Einhundert Jahre sind eine verdammt lange Zeit, wenn man tot gewesen ist.
    Ich ging um das Grab herum, sorgfältig darauf bedacht, innerhalb des Kreises zu bleiben. Zachary beobachtete mich, ohne ein Wort zu sagen. Er war nicht fähig gewesen, die Leiche zu erwecken, weil er selbst eine war. Die frisch Verstorbenen konnte er handhaben, aber nicht, die schon länger tot waren. Ein Toter, der einen Toten aus dem Grab ruft daran war wirklich einiges faul.
    Ich sah ihn von unten herauf an, verfolgte dabei, wie er das Messer nahm. Ich kannte sein Geheimnis. Kannte Nikolaos es auch? Oder sonst jemand? Ja, wer immer das Gris-Gris gemacht hatte, kannte es. Aber wer noch? Ich quetschte meine Schnittwunde am Arm zusammen. Mit blutigen Fingern wollte ich an das Gris-Gris fassen.
    Zachary packte mein Handgelenk. Er hatte die Augen aufgerissen, sein Atem war beschleunigt. »Nicht Sie.«
    »Wer dann?«
    »Leute, die niemand vermisst.«
    Der Zombie, den wir erweckt hatten, raschelte mit den Petticoats und Reifen. Er begann, auf uns zuzukriechen.
    »Ich hätte zulassen sollen, dass sie Sie umbringen«, sagte ich.
    Er lächelte. »Kann man einen Toten umbringen?«
    Ich entriss ihm meine Hand. »Das tue ich alle Tage.«
    Der Zombie griff nach meinen Beinen. Es fühlte sich an, als ob Stöcke an mir schabten.
    »Füttern Sie ihn allein, Sie Scheißkerl«, sagte ich.
    Er hielt ihr sein Handgelenk hin. Der Zombie griff danach, unbeholfen und gierig. Er beroch es und ließ es fallen. »Ich glaube nicht, dass ich ihn füttern kann, Anita.«
    Natürlich nicht frisches, lebendiges Blut war nötig, um das Ritual abzuschließen. Zachary war tot. Er war nicht mehr dazu geeignet. Aber ich.
    »Gehen Sie zum Teufel, Zachary.«
    Er blickte mich nur an.
    Der Zombie machte tief im Hals einen wimmernden Laut. Lieber Gott. Ich bot Estelle meinen blutenden linken Arm. Ihre Stöckchenhände drückten sich in meine Haut. Ihr Mund schloss sich über der Wunde, sie saugte. Ich bekämpfte den Drang, zurückzuzucken. Ich hatte den Handel geschlossen, hatte das Ritual gewählt. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich schaute Zachary an, während das Wesen sich an meinem Blut nährte. Unser Zombie war ein Joint Venture. Verdammter Mist.
    »Wie viele Leute haben Sie umgebracht, um sich am Leben zu erhalten?«, fragte ich.
    »Das wollen Sie gar nicht wissen.«
    »Wie viele?«
    »Genug«, antwortete er.
    Ich richtete mich angespannt auf, hob den Arm und zog den Zombie fast auf die Beine. Sie schrie wie ein neugeborenes Kätzchen. Dann ließ sie meinen Arm so plötzlich los, dass sie rückwärts fiel. Blut tropfte von ihrem knochigen Kinn. Ihre Zähne waren damit überzogen. Ich konnte es mir nicht ansehen, nichts davon.
    Zachary sagte: »Der Kreis ist offen. Der Zombie gehört euch.«
    Einen Augenblick lang glaubte ich, er spräche zu mir; dann fielen mir die Vampire wieder ein. Sie hatten sich in der Dunkelheit zusammengedrängt, so still und unbewegt, dass ich sie ganz vergessen hatte. Ich war die einzige lebende Person an diesem verdammten Ort. Ich musste hier weg.
    Ich nahm meine Schuhe und verließ den Kreis. Die Vampire machten mir Platz. Nur Theresa verstellte mir den Weg. »Warum haben Sie sie Ihr Blut saugen lassen? Zombies machen so etwas nicht.«
    Ich schüttelte den Kopf. Warum dachte ich nur, es könnte schneller gehen, wenn ich es ihr erklärte, als mit ihr zu streiten? »Das Ritual war schon schief gelaufen. Wir konnten nicht mit einem neuen Opfer von vorn anfangen. Darum habe ich mich selbst als Opfer

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