Bittere Mandeln
nicht hier. Räumen wir lieber auf.«
Neben dem Eingang zum Tempel befand sich lediglich ein kleiner Abfalleimer, und der war bereits voll mit Überresten der Kirschblütenparty. Wenn es weniger Abfalleimer gab, so die Philosophie, konnte auch weniger Müll auf den Straßen landen. Es galt die ungeschriebene Regel, daß jeder seinen Abfall mit nach Hause nahm und dort entsorgte.
Also trugen Onkel Hiroshi, Tante Norie und ich schließlich eine ganze Menge stinkenden Müll nach Hause. Hinter meinem Haus gab es eine kleine Müllsammelstelle. Dort warfen wir die Sachen zu dem, was schon da war. Onkel Hiroshi hievte dabei so schwere Tüten hoch, daß ich mir um seinen Rücken Sorgen machte. Die meisten Shimuras hatten Probleme mit dem Rücken. Doch Hiroshi und Norie waren hoch zufrieden, ihren Beitrag zum Umweltschutz geleistet zu haben.
»Man sollte einen Ort immer sauberer verlassen, als man ihn vorgefunden hat, Rei -chan« , sagte meine Tante.
»So lautet zumindest dein Motto.« Ich mußte daran denken, daß sie sogar meinen kleinen Lagerraum saubergemacht und das Haiku hatte verschwinden lassen.
Vor der Tür zu meiner Wohnung schlüpften wir aus den Schuhen, traten ein und wuschen uns gründlich die Hände. Ich stellte den Wasserkessel auf den Herd und ein paar Reis-Cracker auf den Tisch.
»Deine Wohnung ist wirklich sehr gemütlich, Rei chan. Hast du sie selbst gefunden?« fragte Hiroshi.
»Nun, Obasan war so nett, den Mietvertrag für mich zu unterschreiben«, antwortete ich. »Als Ausländer kann man eine Wohnung nur mieten, wenn ein Japaner für einen bürgt.«
»Was für eine lächerliche Vorschrift, wenn man bedenkt, wieviele Verbesserungen Rei an dieser Wohnung vorgenommen hat«, sagte Norie. »Als ich sie das erste Mal gesehen habe, hingen die Tapeten von den Wänden, die tatami- Matten waren voller Ungeziefer, und es hat nicht einmal eine Badewanne gegeben. Unsere Nichte ist eine gute Innenarchitektin.«
»Ja, es ist wirklich hübsch und sauber hier«, meinte Onkel Hiroshi, während er seine Tasse Tee entgegennahm.
»Das hat alles Obasan gemacht. Seit sie hier ist, hat sie immerzu nur geputzt, von den Fenstern bis zur yukashita. « Das war sowohl im übertragenen Sinn als auch als Hinweis darauf gedacht, daß ich die Schnüffeleien von Tante Norie in meinem kleinen Vorratsraum unter dem Küchenboden durchaus bemerkt hatte.
»Ja, ich habe einen kleinen Frühjahrsputz gemacht. Der war nötig, weil während ihrer Krankheit so viele Leute zu Besuch gekommen sind. Sie ist erst seit kurzem wieder auf den Beinen – ich hätte ihr wirklich nicht zumuten sollen, den Müll zu schleppen.« Norie klang nervös. »Bitte verzeih mir, Rei -chan! «
Onkel Hiroshi, der nichts von der eigentlichen Bedeutung der Unterhaltung mitbekam, nippte genußvoll an seinem Tee. »Ah, ich habe schon lange keinen so guten Tee mehr getrunken. Ist das Leberblümchentee?«
»Ja, Obasan hat ihn während meiner Krankheit gekauft – das war nur eins von den vielen Dingen, die sie für mich getan hat. Obasan, ich habe ein kleines Dankeschön-Geschenk für dich.«
Ich reichte ihr die immer noch eingewickelten Blumen, die nur ein klein bißchen zerrupft waren.
»Ach, du brauchst mir doch nichts zu schenken«, sagte Norie, packte die Blumen aber trotzdem aus. »Ist das falscher Jasmin? Eine ungewöhnliche Kombination zusammen mit den Lotusblättern und Kosmeen.« Sie lächelte mich an. »Wie gut sich dein Geschmack entwickelt.«
»Ich dachte, die Blumen sehen sicher hübsch aus in einem der Tongefäße, die du zu Hause in Yokohama hast«, sagte ich.
»Ja, wir können sie dort zusammen arrangieren. Nimm dein Lehrbuch mit, damit wir den nächsten Schritt zu deinem ersten Zertifikat abhaken können.«
Es irritierte mich, daß sie die Blumen als die meinen betrachtete, und ich nach Yokohama fahren sollte. Mit meiner höflichsten Stimme fragte ich: »Obasan, du fährst also nach Hause? Jetzt, wo Onkel Hiroshi wieder da ist, wirst du dich sicher um ihn kümmern wollen.«
Ich flehte sie mit Blicken an. Auch Tante Nories Organisationstalent änderte nichts an der Tatsache, daß in zwei Räumen, die die Größe von insgesamt vierzehn tatami- Matten hatten, einfach nicht genug Platz für drei Leute war.
Tante Norie stellte ihre Tasse klirrend auf dem Tisch ab. »Tsutomu sagt, die Reporter belagern das Haus nicht mehr, und wir haben ein Gästezimmer für dich. Bitte fahre heute abend mit uns nach Hause. Bleib erst mal eine Nacht bei uns,
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