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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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wie Mrs. Koda sich eine kleine Mahlzeit zubereitete, vielleicht ein bißchen Fisch und dazu Reis und Gemüse. Bei dem Gedanken bekam ich selbst Hunger, denn ich als Single kochte mir nur selten so etwas.
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie beim Abendessen störe«, sagte ich, als sie ans Telefon ging.
    »Ich nehme keine richtigen Mahlzeiten zu mir, wenn ich allein bin, Rei-san. Aber daß Sie so spät noch auf den Beinen sind, ist nicht gut für Sie! Sie müssen sich ausruhen und sich von Ihrer Krankheit erholen.«
    »Danke, mir geht es schon viel besser. Ich bin heute morgen sogar wieder ein bißchen gejoggt, und ich war in Zushi, um mir Maris Töpferwaren anzusehen.«
    »Sie ist nicht nur eine begabte Töpferin, sondern auch eine hervorragende Blumen-Arrangeurin. Es kommt nicht oft vor, daß jemand in der Lage ist, sowohl mit schwerem Ton als auch mit leichten Blüten umzugehen. Sie hat goldene Hände.«
    Fast hätte ich erwähnt, daß die Kayama-Schule Mari schon das dritte Mal das Lehrerdiplom verwehrt hatte, aber es hatte keinen Sinn, einen aggressiven Ton in das Telefonat zu bringen. Schließlich wollte ich etwas von Mrs. Koda.
    »Wie sehen Ihre Pläne aus?« fragte ich. »Ich würde Sie gern zum Tee einladen.«
    »Wie nett von Ihnen. Das würde mich freuen. Im Kayama-Kaikan-Gebäude gibt es ein Lokal. Wollen Sie denn morgen nicht in den Kurs kommen?«
    Eigentlich hatte ich das nicht vorgehabt. »Wissen Sie, ich habe tagsüber so viele Termine, daß ich mit Ihnen lieber eine Stunde am Abend verbringen würde. Ich muß Ihnen erklären, was gestern passiert ist.«
    »Sie meinen die Sache mit der Kayama-Keramik? Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Takeo-san hat alles aufgeklärt.«
    »Nun, es steckt noch ein bißchen mehr dahinter.« Ich machte in der Hoffnung, ihre Neugierde zu wecken, eine Pause, doch sie schwieg. »Sie wissen ja, daß mein Japanisch nicht sehr gut ist. Besonders am Telefon. Ich würde Ihnen das lieber persönlich erklären. Mir wäre wichtig, alle Mißverständnisse zwischen mir selbst und der geschätztesten Lehrerin meiner Tante auszuräumen!«
    »Ihre Tante macht sich Sorgen? Das ist nicht nötig.« Jetzt klang ihre Stimme freundlich. »Natürlich würde ich mich freuen, wenn Sie mich besuchen, sobald Sie Zeit haben.«
    »Ich bin in vierzig Minuten bei Ihnen. Vielen Dank für die Einladung.« Ich legte auf, bevor sie irgend etwas sagen konnte.

    Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Also lief ich den Hügel hinunter zur Sendagi-Station, vorbei an Arbeitern und Studenten. Die Leute hier waren an mein Joggen gewöhnt und blieben nicht stehen, um mich anzustarren wie in Roppongi. Die Nachbarn nannten mich das »laufende Mädchen«, hatte mir Mr. Waka er zählt, ein exzentrischer, aber nicht böse gemeinter Spitzname. Wenn die jungen Männer vom Lauf-Club der Tokyo University mich sahen, verbeugten sie sich leicht, nur mit den Schultern, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen.
    Einen Häuserblock vor mir entdeckte ich einen jungen Mann mit kurzen blonden Haaren, der einen konservativen blauen Blazer und eine graue Hose trug. Er war mit einem größeren, dunkelhaarigen Mann zusammen. Von hinten hielt ich die beiden für Richard Randall und seinen neuen Freund Enrique. Wie schön, dann könnten wir miteinander in der U-Bahn fahren.
    Ich lief ein bißchen schneller und zupfte Richard von hinten an der Jacke.
    Doch der drehte sich nicht um, sondern stieß einen kurzen Schrei aus. Sofort schleuderte mich sein Begleiter gegen die schmutzige Fliesenwand der Station. Ich starrte in das wütende Gesicht von Che Fujisawa, dem Umweltschützer, der die Demonstration vor My Magic Forest angeführt hatte.
    »Es ist unhöflich, Leute zu erschrecken«, knurrte Che.
    »No problemo, neh? Die junge Dame hat’s sicher nicht böse gemeint. Meiner Jacke ist ja nichts passiert!« sagte Richard hastig in einer merkwürdigen Mischung aus Spanisch und Japanisch.
    Erst jetzt merkte ich, daß ich dabei war, Richard, den ich selbst in Ches Gruppe eingeschleust hatte, auffliegen zu lassen.
    »Gomen nasai, gomen nasai! « entschuldigte ich mich und verbeugte mich tief. Che stand so dicht vor mir, daß meine Stirn gegen sein Kinn stieß. Offenbar schmerzte der Aufprall ihn mehr als mich, denn er trat ächzend einen Schritt zurück und preßte die Hand an den Mund.
    »Können Sie denn nicht aufpassen?« herrschte Che mich an. »Sie kenne ich doch.«
    »Das ist bloß so eine Verrückte, die im Family Mart arbeitet«,

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