Bittere Mandeln
sagte Richard hastig. »Sie ist in mich verknallt, sagt der Inhaber.«
»Gomen nasai. « Ich verbeugte mich noch einmal und hastete dann dank meiner Monatskarte direkt durch die Schranke zum Bahnsteig. Als ich über die Schulter zurückschaute, sah ich, daß Richard nach Münzen für den Fahrkartenautomaten suchte. Wahrscheinlich führte er die Verzögerung bewußt herbei, damit ich eine U-Bahn vor ihm und Che erwischte. Richard opferte sich für mich auf. Als Che mich mit solcher Wucht gegen die Wand der U-Bahn-Station gestoßen hatte, war er bereit gewesen, mich zu verprügeln. Was er mit einem Menschen anstellen würde, der kleiner und weniger sportlich war als ich, malte ich mir lieber nicht aus.
Ich hatte geglaubt, daß Richards Verbindung zu Enrique ihn innerhalb der Stop-Killing-Flowers-Gruppe schützen würde, doch das war offenbar ein Irrtum gewesen. Ich mußte Richard da herausholen und machte mir Vorwürfe, daß ich Takeo nicht gefragt hatte, welcher Art seine Beziehungen zu der Gruppe waren. Nun, vielleicht konnte Mrs. Koda einschätzen, ob Takeo sich eher der Schule verpflichtet fühlte oder dieser Gruppe.
Ich fuhr mit der U-Bahn nach Hiro; sobald ich mich wieder auf der Straße befand, fragte ich einen Polizisten nach der Adresse, die Mrs. Koda mir gegeben hatte. Er sagte mir, ich solle nach einem Wohnhaus mit Blumenkästen vor allen Fenstern Ausschau halten. Das klang verlockend, aber als ich dort ankam, wirkten die Blumen verdächtig künstlich – rote Geranien an jedem Fenster, das war einfach zu viel; bei dem Haus selbst handelte es sich um ein ehemals weißes Gebäude, das von den Abgasen grau geworden war. Ich würde niemals begreifen, warum japanische Architekten die Städte immer noch vorwiegend weiß planten, denn der Kampf gegen den Schmutz, der in der Luft lag, war von vornherein aussichtslos. Anfang der neunziger Jahre war fast jeden Tag ein neues weißes Gebäude hochgezogen worden. Jetzt sahen sie alle aus wie Geister mit Bartschatten.
In der mit europäisch arrangierten Blumenbouquets geschmückten Lobby entdeckte ich eine Gegensprechanlage und klingelte bei Mrs. Koda.
»Sie sind unten? Ich dachte nicht, daß Sie heute kommen würden.«
Und ich hatte gedacht, ich hätte mich klar ausgedrückt. »Nun, ich kann auch wieder gehen, wenn es ungelegen ist …«
»Nein, bitte fahren Sie mit dem Aufzug in den achten Stock. Ich hole Sie dort ab.«
Vor dem Aufzug erstreckte sich ein mit hellgrünem Teppichboden ausgelegter Flur. Die fahlblauen Wände schmückten Schäfchenwolken und eine Darstellung des Sonnenaufgangs über dem Fudschijama.
»Sie wohnen in einem sehr interessanten Gebäude«, sagte ich zu Mrs. Koda, als wir mit langsamen Schritten zu ihrer Wohnung gingen, die Gott sei Dank ganz in Weiß gehalten war, sauber und gemütlich wirkte und nicht allzuviel mit Blumen zu tun hatte. Genauer gesagt gab es überhaupt keine Blumen darin.
»Es ist schön, hier mitten in der Stadt zu wohnen, wo immer etwas los ist. Ich habe lange Jahre zusammen mit meinem Mann in den Vororten gelebt und es gehaßt!« vertraute sie mir an.
»Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit mitgebracht«, sagte ich und reichte ihr eine hübsch verpackte Schachtel mit Erdbeeren, die ich gerade an der U-Bahn-Station gekauft hatte. In Japan konnte man niemanden mit leeren Händen besuchen.
»Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagte Mrs. Koda und versuchte dreimal, mir die Schachtel zurückzugeben, bevor sie sie schließlich doch nahm. »Ich stelle sie in den Kühlschrank, für morgen. Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?«
»Nein, danke. Ich habe schon zu Hause welchen getrunken …. Nein, danke, wirklich nicht.«
Doch sie machte mir trotzdem eine Tasse Tee und stellte sie auf eine Baumwollserviette über einem Untersetzer auf einem Lacktablett. Ich starrte das perfekte Arrangement von Porzellan, Stoff und Holz an und hoffte, daß es Mrs. Koda nicht auffallen würde, wenn ich den Tee nicht anrührte. Sie wirkte wie eine nette alte Dame, aber ich war schon einmal vergiftet worden, als ich mit ihr zusammen Tee trank. Vielleicht konnte ich den Tee in eine Topfpflanze gießen, wenn sie das Zimmer verließ. Doch unglücklicherweise gab es auch keine Topfpflanzen in der Wohnung.
»Setzen wir uns doch«, sagte Mrs. Koda. »Leider ist mein Sofa nicht sehr bequem.«
»Aber nein, es ist weich wie eine Wolke! Viel hübscher als die alten Möbel bei mir zu Hause.«
»Wohnt Ihre Tante immer noch bei Ihnen?« fragte
Weitere Kostenlose Bücher