Bittere Pille
mehr.« Heinrichs nickte nachdenklich.
Manchmal hatte der alte Kriminalhauptkommissar eben doch die
besseren Argumente.
Stefan räusperte
sich. »Und jetzt?«
»Jetzt ist Zeit
für großes Kino«, grinste Ulbricht. »Ich
werde einen Hubschrauber mit Wärmebildkamera anfordern. Wir
dürfen keine Zeit verlieren.« Ulbricht angelte nach dem
Telefon und wählte die Nummer des LKA in Düsseldorf.
Genau das hatte er eigentlich vermeiden wollen, dachte er
zähneknirschend. Sobald das Landeskriminalamt seine
Fühler nach einer Sache ausstreckte, wurde es in der Regel
ungemütlich.
57
Beyenburg, 22:35
Uhr
»Hier muss es
sein.« Heike deutete auf ein großes, luxuriöses
Haus, das sich an einen grünen Hang schmiegte. Unterhalb lag
Beyenburg. Der See lag still da, und die spätgotische
Klosterkirche St. Maria Magdalena schien über dem friedlichen
Dorf zu wachen. Teile der Bruchsteinfassade waren von
leistungsstarken Scheinwerfen angestrahlt, während der schmale
und spitz zulaufende Glockenturm wie ein mahnend erhobener Finger
in den Nachthimmel ragte. Die Fachwerkhäuser um die
Klosterkirche wirkten wie Modelle einer Eisenbahnlandschaft. Nicht
zu glauben, dass sie sich am Rande einer Großstadt
befanden.
Kein Laut drang nach
oben.
Heike deutete mit dem
Daumen auf das Haus. Drinnen brannte Licht. »Die Herrschaften
sind jedenfalls zu Hause.«
Kalla stoppte das Taxi
am Straßenrand und blickte zum Haus. Er hatte sich nicht
lange bitten lassen, als Heike ihn gebeten hatte, mit ihr nach
Beyenburg zu fahren. Der Umstand, dass eine junge Frau
entführt worden war, setzte den Fall in ein ganz neues Licht.
»Ist doch klar, dass ich unter diesen Umständen nicht
beruhigt pennen kann«, hatte Kalla gesagt, als Heike ihn
angerufen hatte. »Und Licht ist auch noch an«, bemerkte
er jetzt und beugte sich zur Seite. Neben dem Eingang gab es einen
hölzernen Carport, unter dem zwei Fahrzeuge parkten. Ein VW
Touareg und ein dunkler BMW der 7er-Reihe. Kalla drehte sich zu
Heike um. »Und was genau hast du jetzt vor?«
»Wir werden
Klinke ein paar Fragen stellen.«
»Ich hoffe, dass
er damit kein Problem hat. Hauptsache, du kriegst keinen Ärger
mit deinem Chefredakteur. Hast du mir nicht gesagt, die beiden sind
so …?« Kalla legte den Mittelfinger der rechten Hand
um den Zeigefinger, ein Zeichen für die feste Freundschaft der
Männer. Als Chefredakteur der Wupperwelle zählte Michael
Eckhardt zu den oberen Zehntausend der Stadt. Auch wenn sein
Kontostand nicht an den seiner Freunde heranreichte, so war
er doch, durch
seinen Beruf bedingt, bekannt wie ein bunter Hund unter den
einflussreichen Leuten in Wuppertal.
»Das müssen
wir in Kauf nehmen, Kalla. Immerhin geht es um eine Entführung
und um Mord. Entweder hat Klinke doch Dreck am Stecken, oder er
wird unsere Fragen beantworten, weil er Schlimmeres vermeiden will.
Es liegt also an ihm.«
»Na, dann hoffen
wir mal, dass dich dein journalistischer Spürsinn diesmal
nicht täuscht.« Kalla grinste schief, zog den
Zündschlüssel ab und stieg aus. Etwas zögernd
marschierte er hinter Heike die Auffahrt zum Anwesen der Klinkes
hinauf. Am Haus herrschte Stille. Sie hatten die Haustür
erreicht. Bevor Kalla weitere Bedenken äußern konnte,
hatte Heike bereits den Finger auf den Knopf gelegt. Drinnen ein
Gong. Big Ben. Klang fast wie der echte Glockenturm. Es dauerte
einen Augenblick, bis sich drinnen Schritte näherten. Die
Türe wurde geöffnet, und sie blickten in das neugierige
Gesicht einer Frau Mitte dreißig. Das schulterlange, blonde
Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Trotz
Make-up wirkte sie blass und übernächtigt. Sie trug ein
leichtes Sommerkleid.
»Mein Name ist
Heike Göbel, und das«, sie deutete auf Kalla, »das
ist mein Kollege, Herr Weinberger. Wir kommen von der
Wupperwelle.« Sie lächelte freundlich.
»Hm.« Die
Frau nickte. »Es ist ziemlich spät.« Ihre Stimme
klang emotionslos. Heike glaubte zu sehen, dass sie sich hinter
ihrer Fassade nur versteckte. »Und wenn es um das leidige
Thema geht -nein, mein Mann hat nichts mit den drei Morden zu
tun.«
»Wir können
Sie beruhigen, deshalb sind wir gar nicht hier«, erwiderte
Heike schnell. »Wir suchen Ihren Mann, weil wir seinen
sachlichen Rat benötigen. Wie gesagt, es tut uns sehr leid,
dass es schon so spät ist, aber es ist sehr
dringend.«
»Wie Sie
meinen.«
»Ist er noch
wach?«
»Ja, er sitzt in
seinem Arbeitszimmer.« Ein mattes Lächeln.
»Er arbeitet
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