Bittere Pille
unterbrach die Verbindung und starrte sekundenlang auf das
Handy in ihrer Hand, als würde sie sich wundern, wie das
Telefon überhaupt dorthin gekommen war. Sie verdrängte
den Gedanken an Daniela und die Vorstellung, dass sie ein Auge auf
Stefan geworfen hatte, und fasste einen Plan. Jetzt war nicht der
richtige Augenblick für Eifersüchteleien. Es gab viel zu
tun.
56
Landstraße im
Bergischen Land, 22:10 Uhr
»Es ist
vorbei.« Ulbricht warf das Handy wütend in die Ablage
des Dienstwagens. »Verdammt, verdammt!« Er stierte mit
geröteten Augen durch die Windschutzscheibe und
schüttelte langsam den Kopf. »Verdammt«,
wiederholte er leise und fuhr sich mit den Händen durch das
erhitzte Gesicht.
Heinrichs war gefahren
wie eine gesengte Sau und hatte sich immer wieder Rügen
für seinen Fahrstil von Ulbricht eingefangen. Er würde
ihn zum nächsten Fahrsicherheitstraining anmelden, so viel
hatte sich der Kommissar vorgenommen. Stefan, der schweigend im
Fond des Dienstwagens hockte, war es zeitweise übel geworden.
Doch die Sorge um Danni war größer gewesen, und so hatte
er sich schweigend seinem Schicksal gefügt. Immerhin
war er es
selber gewesen, der unbedingt hatte mitfahren wollen. Eine
Verfolgungsjagd durch das Bergische Land war eben doch keine
gemütliche Kaffeefahrt.
Ulbricht hatte
Straßen- und Wegerecht per Funk angemeldet und den
»Kojak«, wie sie es nannten, das mit der
Magnethalterung versehene Blaulicht, auf dem Dach des zivilen
Dienstwagens befestigt. Zwischen Hückeswagen und
Wipperfürth hatte das Telefon geklingelt und sie in die
Realität zurückgeholt. An einer Bushaltestelle hatte
Heinrichs den weiß lackierten Vectra gestoppt und dem kurzen
Telefonat seines Vorgesetzten gelauscht.
Jetzt fiel die
Anspannung der drei Männer im Wagen von einer Sekunde zur
anderen von ihnen ab. Stefan löste den Sicherheitsgurt und
beugte sich nach vorn. Er hockte krumm auf dem Kardantunnel und
umklammerte die Kopfstützen der Vordersitze. »Was
heißt das - es ist vorbei?«
»Falscher Alarm.
Der Vogel ist aus dem Nest gefallen. Das Schwein hat uns
durchschaut und das Handy in einem Waldstück ein paar
Ortschaften weiter zurückgelassen. Die Spurensicherung ist
schon vor Ort. Sie haben Reifenspuren eines VW Golf gefunden, das
passt also. In einem Forstweg hat er sich wohl auch den
Außenspiegel abgerissen, das Teil wurde ebenfalls gefunden.
Und Fußabdrücke auf einer Lichtung. Größe
vierundvierzig, aber das ist eine Allerweltsschuhgröße,
mit der wir jetzt ad hoc nicht viel anfangen können. Bleiben
die Hinweise auf den Wagen. Vielleicht fällt der Wagen auf,
weil er ihn regelrecht durch den Schlamm geprügelt haben muss.
Der abgerissene Außenspiegel ist auch auffallend. Vielleicht
wird jemand, der den so zugerichteten Wagen sieht, hellhörig.
Das wäre jetzt unsere einzige Hoffnung. Weiß der Geier,
wohin er jetzt unterwegs ist.« Ulbricht zog aus dem
Handschuhfach einen kleinen Atlas des Bergischen Landes hervor. Er
blätterte einen Moment darin herum, dann hatte er die richtige
Seite gefunden und tippte auf eine Stelle. »Wir sind
hier«, murmelte er. »Und hier«, er zeigte auf
einen grünen Fleck, »hier ist der Wald, in dem die Jungs das Telefon
des Entführers gefunden haben.«
Heinrichs beugte sich
zu ihm herüber und studierte die Karte. »Es gibt nur
einen logischen Schluss«, sagte er dann. »Lindlar,
Engelskirchen oder hier, im Westen, liegt Bergisch Gladbach.
Vermutlich hat er sich bewusst die wenig befahrenen Nebenstrecken
ausgesucht.«
»Na
prima«, brummte Ulbricht. »Dann suchen wir mal weiter.
Ich glaube auch nicht mehr daran, dass uns die Radioleute helfen
können. Es müsste schon Zufall sein, wenn ihnen der
gesuchte Wagen jetzt noch auffällt.«
»Wir haben noch
die Fahndung laufen. Dann richten wir jetzt Kontrollstellen vor den
größeren Ortschaften ein. Irgendwann wird er uns schon
ins Netz gehen, Chef.«
»Brille«
Heinrichs grinste blöde und wandte sich beifallheischend nach
hinten, zu Stefan, um. Doch dieser schwieg betroffen. Noch immer
quälten ihn Vorwürfe, denn er war sich bewusst
darüber, dass er an Dannis Entführung eine Teilschuld
hatte.
Ulbricht
schüttelte den Kopf und dachte nach. »Es sei denn, er
hat sich eine Scheune oder so was gesucht, in der er
untergeschlüpft ist.« Er schlug mit der Hand auf das
Armaturenbrett. »Mann, Heinrichs, denken Sie nach! Das ist
wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Und heller wird es
heute auch nicht
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