Bittere Sünde (German Edition)
daran, dass er ein schlechter Polizist war, er war einfach nur so unglaublich müde und erschöpft. Es grenzte an ein Wunder, dass Linn und er letzte Nacht überhaupt die Kraft für Sex hatten aufbringen können, dachte er. Ein wahres Wunder.
3
Um die Mittagszeit konnte man allmählich die Sonne hinter der dichten Wolkendecke erahnen. Magnus lief an ein paar voll besetzen Restaurants vorbei, bevor er sich für einen Inder in Kungsholmen entschied. Die farbigen Lichterketten an den Wänden versetzten ihn unmittelbar in eine Art Weihnachtsstimmung. Der Geruch starker Gewürze hing wie Nebel im Lokal, und das dumpfe Stimmengewirr war so dicht, dass man es fast hätte zerschneiden können. Magnus war zufrieden, selbst wenn er nach dem Essen wieder Magenschmerzen bekommen würde. Das lag am Chili, aber weil es so gut schmeckte, nahm er das in Kauf.
Obwohl er ständig alles Mögliche aß, hatte er immer Hunger. Das lag vermutlich an seinem Stoffwechsel. In der Schule war er bis zur Oberstufe der Kleinste und Dünnste gewesen. Die anderen hatten ihm deshalb den wenig schmeichelhaften Spitznamen »Skelett« gegeben. Wenngleich die Schulkrankenschwester ihm in Aussicht gestellt hatte, dass seine Wachstumskurve sich eher am unteren Ende der Skala orientieren würde, hatten Kakao und dick belegte Stullen ihre Wirkung nicht verfehlt, und so war er doch noch in die Höhe geschossen und letztendlich zwei Meter groß geworden. Einzig seine dünnen Waden verrieten, wie sein Körper ursprünglich einmal gebaut gewesen war.
Schon zitternd vor Hunger schob er seinen muskulösen Körper durch das gut gefüllte Restaurant und ließ sich an einem kleinen, runden Tisch im hinteren Bereich nieder.
Sein dampfendes Tikka Masala war gerade gebracht worden, als Roger anrief.
»Der Obduktionsbericht ist da. Wir haben jetzt sofort Lagebesprechung.«
»Aber … Mein Essen ist gerade gekommen.«
»Dann hau mal rein, die anderen sind nämlich schon da.«
Magnus massierte sich resigniert mit der freien Hand das Gesicht. »Gut, ich mache mich auf den Weg.«
Nach drei schnellen Bissen stand er auf und zahlte.
4
Magnus, Roger und die noch relativ frischgebackene Kriminalkommissarin Sofie Eriksson saßen zusammengezwängt in dem kleinen Besprechungszimmer, jeder eine dampfende Kaffeetasse vor sich, als Hauptkommissar Arne Norman hereinkam. Er sah zufrieden aus. Erst kürzlich war er aus dem Urlaub von den Kanarischen Inseln zurückgekehrt, und nun wirkten seine Haare fast weiß im Kontrast zu seiner tiefen Sonnenbräune.
»Herzlich willkommen. Der Konferenzraum war leider schon belegt, weshalb wir uns hier zusammenquetschen müssen, aber das wird schon gehen«, sagte Arne und lächelte.
Sofie warf ihm einen Blick voller Bewunderung zu, und Magnus fand, dass sie fast schon übertrieben viel Motivation an den Tag legte. Aber Arne stand auf Speichellecker, insofern hatte sie gute Chancen, seine Favoritin zu werden.
»Ich versuche mal, die Ausgangslage zusammenzufassen«, setzte Arne an. »Wenn ihr Fragen habt, dann stellt sie bitte im Anschluss. Mich bringt es immer total raus, wenn ich unterbrochen werde. Zunächst möchte ich lobend erwähnen, dass von den Kollegen gestern bereits vortreffliche Vorarbeit geleistet wurde. Wir übernehmen eine solide Basis. Leider müssen wir zu viert klarkommen, alle anderen befassen sich mit dem Mord an dem ehemaligen Neonazi, der vergangene Woche in Nacka tot aufgefunden wurde. Ich versuche aber, so schnell wie möglich weitere Ermittler dazuzugewinnen.«
Arne nahm einen Stift in die Hand und schrieb Einzelheiten an das große Whiteboard an der Wand.
»Also, das Opfer heißt Erik Berggren. Er wurde vor etwas über einem Tag tot in der Gartenlaube seiner Mutter in Eriksdalslunden aufgefunden, und zwar von Lennart Wingedahl, einem pensionierten Informatiker. Ihm gehört das Nachbargrundstück, und mehr als Nachbarn scheinen die beiden auch nicht gewesen zu sein.«
Magnus hob eine Augenbraue. »Wie hat er ihn gefunden?«
»Wingedahl hat ausgesagt, dass die Tür zu Berggrens Laube ein paar Tage lang offen gestanden und im Wind geschlagen hat, deshalb wollte er mal nach dem Rechten sehen.«
»Wann genau?«
»Gestern Morgen. Eigentlich war er zur Schrebergartensiedlung gefahren, um Äpfel zu ernten, aber dann kam ihm das alles doch irgendwie verdächtig vor. Er fand das Opfer dort an den Küchentisch gefesselt vor. So steht es jedenfalls in seiner Zeugenaussage von gestern. Heute Nachmittag kommt er her,
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