Bittere Sünde (German Edition)
hastig auf dem Absatz kehrt und stapfte in sein Büro. Roger verdrehte die Augen, worüber Sofie laut lachen musste.
»Auch wenn Arne nicht glaubt, dass wir vorankommen: Ich bin fest davon überzeugt, all die kleinen Puzzleteile werden sich bald zu einem großen Ganzen zusammenfügen«, sagte sie mit einem Lächeln und fuhr fort: »Ich habe mit der Kreditkartenfirma gesprochen, um herauszufinden, wer die Rose zu Erik Berggrens Beerdigung hat schicken lassen. Es war seine Cousine.«
»Annika?« Magnus sah ratlos aus.
»Ja. Was findest du denn daran so komisch, dass sie ihrem Cousin eine Rose schickt?«
»Das an sich macht mich ja gar nicht nachdenklich. Ich frage mich bloß, wieso sie ›vergeben‹ auf die Karte geschrieben hat.«
»Keine Ahnung. Das musst du sie wohl selbst fragen.«
Magnus ging zum Kaffeeautomaten und zog sich einen wässrigen Espresso. »Ich werde sie mal anrufen und fragen, ob sie herkommen kann. Oft ist ein persönliches Gespräch ja besser als ein Telefonat. Und dann gehe ich die Daten zu Gunvors Fahndung noch einmal durch. Die Fahndung läuft zwar jetzt landesweit, aber ich will einfach sicher sein, dass wir nichts übersehen haben.«
»Okay.« Sofie wandte sich an Roger. »Sollen wir dann mal versuchen, diesen Pedro zu finden?«
»Klar. Wo fangen wir denn an?«
»Keine Ahnung.«
Magnus nahm einen Schluck der widerlichen Plörre und grinste sie dann an. »Wendet euch doch an
Missing People
.«
70
Gunvors Verschwinden beunruhigte nicht nur Magnus und seine Kollegen zutiefst. Diese Unruhe machte selbst vor Linn nicht halt. Wenn sie über Moas und Elins Sicherheit nachdachte, hatte sie das Gefühl, in ein dunkles Loch zu fallen. Sie ließ die beiden keine Sekunde aus den Augen, und wenn sie doch mal in ihrem Zimmer verschwanden und ein paar Minuten still waren, krampfte sich ihr Herz vor Schreck zusammen.
Sie hoffte inständig, dass die Mädchen ihre Angst nicht spürten, musste sich aber eingestehen, dass dies ein frommer Wunsch war und blieb. Jedes Mal, wenn die beiden sich zum Spielen zurückzogen, tauchte sie schon bald auf und fragte besorgt: »Was macht ihr?« Und trotz der anonymen Wohnung fühlte sie sich alles andere als sicher.
Der Täter, den Magnus und seine Kollegen jagten, war nicht dumm. Er hatte ohne Probleme und völlig unbemerkt Gunvor aus dem Krankenhaus entführt. Er wollte offensichtlich zu Ende bringen, was er begonnen hatte. Er war alles andere als schludrig und würde sie alle töten, wenn sich die Gelegenheit bot. Davon war sie fest überzeugt, und das Gefühl, so dermaßen machtlos zu sein, nagte an ihr. Ein Zuhause sollte doch eine Art heimeliges Nest sein, und nichts sollte das Gefühl von Sicherheit erschüttern können. In ihren eigenen Wänden sollte es keine Bedrohung von außen geben. Doch nun gab es sie, wie ein Albtraum kroch sie durch jede Ritze, hinterhältig und Unheil verkündend, und mit nur einem einzigen Ziel: zu vernichten.
Montag, 3. November
71
Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Und niemand konnte voraussagen, was passieren würde. Linn und Magnus hatten ihr Familienleben aufs Abstellgleis verfrachtet und lebten wie in einem Vakuum in der dunklen Schutzwohnung.
Linn wanderte rastlos durch die Zimmer, putzte manisch alles, was sich putzen ließ, kümmerte sich um ihre Frisur und fing dann wieder von vorne an. Permanent auf der Suche nach etwas, das ihre Gedanken in Schach hielt, damit sie nicht an
ihn
denken musste. An ihn, der draußen lauerte – und auf keinen Fall hereindurfte.
Es war eine echte Qual, sich vorzustellen, dass ihnen etwas Furchtbares drohte und sie es nicht mal verhindern konnten. Natürlich glaubte sie fest an die Kompetenzen von Magnus und seinen Kollegen, trotzdem – sie bekamen Pedro Estrabou einfach nicht zu fassen, und fest stand, dass sie nichts anderes tun konnten, als seinen nächsten Zug abzuwarten. Und es würde ganz sicher wieder etwas passieren, das wusste sie.
Und dann fasste sie einen Entschluss. Sie würde zu dem ehemaligen Hof der Berggrens nach Flaxenvik fahren und sich mit eigenen Augen anschauen, wo Erik aufgewachsen war. Sie konnte einfach nicht länger in dieser Wohnung sitzen und Däumchen drehen. Mit ein bisschen Glück würden die Sinneseindrücke von dort ihren Verstand ans Laufen bringen und ihr ein Gefühl vermitteln, was für Menschen die Berggrens gewesen waren.
Linn war sich vollends darüber im Klaren, dass Magnus sie aufhalten würde, sollte er erfahren, was sie vorhatte. Sie
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