Bittere Sünde (German Edition)
die Presse wenden und die Öffentlichkeit um Mithilfe bitten. Wir müssen sagen, wie es ist, und hoffen, dass sie nicht zu schonungslos mit uns umgehen werden. Erst brauche ich mehr Informationen, und dann laden wir sofort zur Pressekonferenz. Verständigst du die Spurensicherung und schickst sie nach Danderyd? Verhör das Personal und diesen Idioten, der das mit der Wache verbockt hat, alle!«
»Okay.«
»Finde diese Frau, Magnus. Finde sie einfach.«
Hoffnung schimmerte plötzlich in Arnes hellblauen Augen. »Aber sag mal, könnte sie sich nicht einfach verlaufen haben? Sie ist doch senil.«
»Unwahrscheinlich, sie kann ja kaum gehen.«
Arne seufzte. Die Arme hingen schlaff an seinen Seiten, und er sah eigenartig blass aus unter seinem Sonnenbrand.
»Sollen wir die Bilder von Pedro Estrabou auch veröffentlichen?«, fragte Magnus.
»Ja, jetzt ist wohl der Zeitpunkt gekommen. Aber es ist wichtig, ganz klar darauf hinzuweisen, dass wir ihn als Zeugen suchen und nichts anderes.«
Magnus murmelte zustimmend. »Einziges Problem ist, dass wir nur alte Aufnahmen von ihm haben.«
»Die müssen reichen.«
67
Die Stimmung während der Pressekonferenz war zu Anfang eher gemäßigt. Alle Anwesenden fragten sich, was die Polizei wohl zu erzählen hatte, und als Hauptkommissar Arne Norman hereinkam, entstand für einen Augenblick absolute Stille. Doch schon bald hagelte es Fragen. Wie konnte eine Frau verschwinden, die unter Polizeischutz stand? War hier ein Serienmörder am Werk, und wenn ja, nach welchem Schema ging er vor? Wer waren diese Berggrens? Wer war Pedro Estrabou? Und wieso fahndeten sie nach ihm?
Arne Norman gelang es auf wundersame Weise, den schwierigsten Fragen auszuweichen und Gunvors Verschwinden herunterzuspielen. Sie war dement, und Arne ließ durchschimmern, dass sie auch einfach ausgebüxt sein könnte. Dass Gunvor nicht laufen konnte, erwähnte er nicht.
Als er danach, das Klicken der Fotoapparate im Nacken, den Saal verließ, war er ganz zufrieden mit sich. Es war ihm gelungen, den Fall als äußerst kompliziert und die Polizei als hochgradig kompetent darzustellen. Wäre er ein Affe, würde er sich jetzt auf die Brust trommeln und einen kleinen Tanz aufführen, doch er gab sich mit einem breiten Grinsen zufrieden.
Gunvor Berggrens Verschwinden war zweifellos furchtbar und warf kein gutes Licht auf die Arbeit der Polizei, aber der Vorfall konnte ihm und seinem Team nicht das Genick brechen. Voraussetzung war natürlich, dass sie die Frau lebend fanden.
Doch es war zu früh, die Segel zu setzen, schließlich dümpelten sie immer noch im Hafen herum und warteten auf Wind. Gerade lag die See still, nur wenige Ringe an der Oberfläche deuteten darauf hin, dass sich darunter etwas bewegte.
68
Linn packte ihre wenigen Habseligkeiten ein und ließ den Blick durch das kahle Krankenhauszimmer schweifen. Gerne hätte sie gesagt, dass sie sich hier allmählich heimisch gefühlt hatte, doch sie empfand nichts als pure Erleichterung, diesen Ort endlich verlassen zu dürfen.
Als Magnus angeboten hatte, dass sie und die Kinder schon ohne ihn in die geschützte Wohnung fahren konnten, hatte sie keine Sekunde gezögert. Jonas Orling trug in jeder Hand eine Tasche mit dem neu gekauften Eigentum, Linn nahm jedes der Mädchen an eine Hand, und schon waren sie unterwegs.
Die Wohnung in Bergshamra lag in einem ziegelroten Gebäude, gar nicht unähnlich ihrem ehemaligen Zuhause in der Torsten Alms Gata in Aspudden. Die Balkone bestanden aus weißen Platten und verströmten das Flair der Achtzigerjahre. Im Hintergrund rauschte beständig der Verkehr von der Autobahn.
»Auf dem Balkon dürfen Sie sich nicht sehen lassen«, warnte Jonas, während er die Wohnungstür aufschloss.
»Ich weiß«, antwortete Linn.
Die Wohnung hatte drei Zimmer und eine Küche. Alles gründlich verwohnt und insgesamt eher spärlich möbliert mit Einzelstücken aus vergilbtem Kiefernholz, die ganz offensichtlich jemand hatte loswerden wollen.
Linn schaute sich um. Die dreckige, grau gemusterte Tapete machte sie ganz niederschlagen. Die Kinder zeigten die genau gegenteilige Reaktion. Elin und Moa rannten fröhlich durch die Zimmer und hüpften überglücklich auf dem zerschlissenen Sofa auf und ab.
Moa schrie: »Ziehen wir hier ein, Mama?«
»Ja, für eine Weile.«
Linn fand es durchaus tröstlich, auszusprechen, dass sie nur vorübergehend hierbleiben würden. Denn bald würden sie sich wieder etwas Eigenes suchen. Vorher aber,
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