Bittere Sünde (German Edition)
hatte jedoch nicht die Absicht, das irgendwem mitzuteilen.
Und irgendwann bot sich die ersehnte Gelegenheit. Magnus war im Präsidium, und Jonas Orling hatte angeboten, an seinem freien Tag mit den Kindern ins Technische Museum zu gehen, damit Linn sich ausruhen konnte, sie galt nämlich noch immer nicht als genesen.
Sie rechnete damit, dass Jonas und die Mädchen sicher drei Stunden unterwegs sein würden, inklusive Hin- und Rückweg.
Seit sie die geschützte Wohnung bezogen hatten, wurden sie ja glücklicherweise nicht mehr auf Schritt und Tritt bewacht, und niemand führte Buch darüber, wie lange sie verschwand oder wohin.
Es war bereits Viertel nach zwei, als sie über die Kuppe des David Visteds Väg fuhr. Der kleine Hof sah im Schneematsch grau und düster aus. Wohnhaus und Scheune wirkten, als würden sie sich zusammenkauern, um der Kälte zu trotzen.
Hier hatten sie also gewohnt, die Berggrens. Linn stand reglos neben ihrem Wagen auf dem kiesbedeckten Hof und schaute zum Wohnhaus hinüber. Ein nahestehender Baum streckte seine Äste bedrohlich nach dessen Dach aus. Sie nahm die Atmosphäre in sich auf. Wären ihr nicht schon Einzelheiten aus dem Leben seiner ehemaligen Bewohner bekannt, hätte Linn das Haus bezaubernd gefunden. So aber ließ es sie schaudern. Irgendwo in weiter Ferne hörte sie einen Hund bellen.
Es war offensichtlich, dass sich seit Jahren niemand mehr um die Gebäude gekümmert hatte. Die Farbe des Wohnhauses war großflächig abgeblättert, und die Dachziegel hatten ihre besten Tage längst hinter sich.
Vielleicht war es trotz allem eine schlechte Idee gewesen, herzukommen?
Magnus und Roger waren schließlich schon einmal hier gewesen. Machte sie sich nicht lächerlich, wenn sie daran glaubte, dass gerade sie nur durch das Umsehen vor Ort eine Art Offenbarung erfahren würde?
Kurz zweifelte sie, die Hand lag immer noch auf der offenen Fahrertür, dann schlug sie die Tür mit einem leichten Knall zu.
Hier war also der Hund misshandelt worden. Erik war zu dem Zeitpunkt ein Teenager gewesen. Hatte er das getan? Linn wusste nicht, was sie glauben sollte, war sich aber sicher, dass diese Gebäude eine Bedeutung hatten.
War Pedro auch einmal hier gewesen? Hatte er seinen Vater kennengelernt?
Linn stieg die paar Stufen hinauf unter das Vordach des Wohnhauses. Eine leichte Unruhe nagte an ihr, und sie lauschte nach dem Hundegebell. Es war verstummt. Sie war allein.
Zu ihrer großen Erleichterung fiel Licht durch die zerbrochenen Scheiben. Sie machte ein paar Schritte in das Haus hinein. Die Bodendielen knarrten bedenklich unter ihren Füßen, ansonsten hörte man nur draußen den Wind blasen.
Früher war das hier sicher mal idyllisch gewesen, doch nun hatte das Haus etwas Deprimierendes an sich. Linn war sich nicht sicher, ob man dieses Gefühl selbst durch eine vollständige Renovierung je würde beseitigen können. Sie fuhr mit der Hand über den alten Holzherd. Die Finger färbten sich sofort schwarz vom Ruß. Wieso hatten die derzeitigen Besitzer diesen Hof überhaupt gekauft? Wegen der Seelage vermutlich. Vielleicht hatten sie alles abreißen und komplett neu bauen wollen?
Sie lief ins Schlafzimmer. Es roch muffig, als würde es irgendwo schimmeln. Die blumige Tapete hatte sich an vielen Stellen von den Wänden gelöst. Eine Weile blieb sie absolut reglos stehen und nahm die Stimmung in sich auf. Hier hatte also das Ehepaar Berggren geschlafen. Jahr für Jahr, Seite an Seite. Woran hatte Gunvor gedacht? Hatte sie gewusst, was Gösta Domenique angetan hatte? Dass er sie mit kochendem Wasser übergossen hatte? Irgendetwas musste sie gewusst haben, eine solche Veranlagung konnte ein Mensch doch nicht verheimlichen?
War auch Gunvor ein Opfer? Und wie war es für Erik gewesen, einen so grässlichen Menschen zum Vater zu haben?
Der Kopfschmerz traf sie plötzlich wie ein Blitz an der Schläfe, und sie musste sich an der Wand abstützen. Ihre rußige Hand hinterließ einen dunklen Abdruck. Schnell versuchte sie, den Fleck mit ihrem Pulloverärmel abzureiben, was aber nur dazu führte, dass der Rußfleck noch auffälliger wurde. Sie schaute sich nach etwas um, womit sie besser wischen konnte.
In der Wand befand sich eine Tür, die zu einem begehbaren Kleiderschrank führte. Sie öffnete sie. Ein süßlicher, durchdringender Gestank schlug ihr entgegen und ließ sie rückwärts taumeln. Er drang tief in ihre Nase und war so ekelhaft intensiv, dass sie fast brechen musste.
Als sie
Weitere Kostenlose Bücher