Bittere Sünde (German Edition)
niemand konnte glaubwürdige Hinweise auf seinen derzeitigen Aufenthaltsort geben. Eine Dreiundzwanzigjährige sagte aus, sie habe ihn in einer Bar getroffen und mit ihm schlafen wollen, doch dann habe sich herausgestellt, dass er eine Frau war. Eine andere Frau aus Rotebro bestand darauf, dass Pedro des Nachts in ihrem Büro putzen würde. Erschreckend viele Anrufe kamen von Rassisten, denen der ausländische Name Beweis genug für Pedra Estrabous Schuld war und die davon überzeugt waren, dass es sich bei ihm um den Mörder handelte.
Unterm Strich würde es extrem viel Zeit kosten, alle Zeugenaussagen gebührend auszuwerten und genau das hatten sie nicht – Zeit. Magnus befürchtete zudem, dass Gunvors Zeit schon abgelaufen war.
Obwohl sie die Personalstärke erhöhten, fühlte es sich an, als würden sie für jeden Schritt vorwärts wieder zwei zurückrutschen. Sie kamen einfach nicht weiter. Roger hatte bereits einen feuerroten Stressausschlag am Hals und roch nach Schweiß. Noch dazu zog er die Schultern hoch bis zu den Ohren und huschte durch die Korridore wie eine lichtscheue Ratte. Die Blicke aller Abteilungen lasteten nun auf ihrem Dezernat und erschwerten es ihnen allen noch zusätzlich, sich zu konzentrieren.
Einzig Magnus’ Gehirn funktionierte am besten unter diesen extremen Bedingungen, wenn das Messer quasi schon an der Kehle saß. Normalerweise fiel er ja eher wegen seiner Trägheit auf. Dieser insgesamt eher wenig geschätzte Charakterzug hatte in solchen Situationen jedoch den positiven Nebeneffekt, dass er fast immer die Ruhe bewahrte.
Roger zog sein T-Shirt aus und fischte sich ein frisches aus der Schreibtischschublade.
Magnus setzte sich auf die Tischplatte. »Was spricht dafür, dass Pedro unser Täter ist?«
Roger schaute ihn perplex an. »Was meinst du? Er hat sowohl ein Motiv als auch die Möglichkeit, und die nötige Abgebrühtheit bringt er außerdem noch mit.«
»Aber wieso sollte er sich an Erik und Gunvor vergehen?«
»Das ist eine der Informationen, die uns noch fehlt. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass er in der Vergangenheit Kontakt zu ihnen hatte und sich an irgendetwas gestört hat. Wir müssen ihn eben einfach schnappen, damit er uns die fehlenden Antworten liefern kann.«
Magnus nickte. Pedro war das Bindeglied zwischen Argentinien und Schweden, das ließ sich nicht leugnen. Er glaubte sogar, dass Pedro dahintersteckte. Wollte es zumindest glauben.
»Kommst du mit ins Café?«, fragte Roger.
Magnus schüttelte den Kopf. »Nein, ich treffe gleich Annika Wirén. Ist vielleicht auch nur Zeitverschwendung, du hast ja schließlich schon mit ihr gesprochen. Aber da sie die letzte lebende Verwandte der Berggrens ist, dachte ich, es kann ja nicht schaden.«
Kurz mischte sich ein lüsternes Flackern in Rogers Blick. »Brauchst du Hilfe?«
Magnus wirkte verwirrt. »Äh … Das ist ja kein Verhör, ich möchte nur ein paar Informationen von ihr. Keine große Sache also.«
Nun sah Roger enttäuscht aus. »Verstehe … Grüß sie mal von mir.«
78
Annika Wirén saß bereits im Verhörraum, als Magnus ankam. Sie trug einen orangefarbenen Mantel und hatte das Haar ordentlich zu einer aufwendigen Frisur hochgesteckt. Ihre großen Augen sahen fragend aus. Magnus gab ihr die Hand und stellte sich vor.
»Ich möchte mit Ihnen über Ihren Cousin Erik sprechen. Soweit ich informiert bin, hatte er nicht gerade eine unkomplizierte Kindheit, und ich hoffe, Sie können mir ein bisschen was über ihn erzählen.«
»Ich habe doch schon mit der Polizei gesprochen, und ich fürchte, ich kann auch Ihnen leider nicht mehr berichten«, sagte Annika und lächelte vorsichtig.
»Stimmt, mein Kollege Roger Ekman war bei Ihnen. Es sind aber im Zuge der Ermittlungen noch ein paar Fragen aufgekommen, die ich Ihnen gern stellen möchte.« Magnus nahm den Blick von seinem Notizblock. »Sie haben Erik eine Rose geschickt. Zu seiner Beerdigung.«
Annika Wirén sah verwundert aus. »Ja, und?«
»Auf der beiliegenden Karte stand ›vergeben‹.«
»Ja, das ist richtig. Und jetzt fragen Sie sich sicher, wie ich das gemeint habe.«
»Genau. Können Sie es mir erklären?«
Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Da gibt es nicht viel zu erklären. Erik war nicht immer nett zu mir, aber er war ja leicht geistig behindert, deshalb vergebe ich ihm. Ich wollte nur, dass er das weiß. Das ist doch an sich gar nicht so ungewöhnlich.«
»Was hat er denn mit Ihnen gemacht?«
Annika wurde still und
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