Bittere Sünde (German Edition)
ließ die Kälte in seinen Lungenflügeln fangen spielen. Die Loipe war noch nie so perfekt gewesen wie heute. Er lächelte, als ihm bewusst wurde, dass er noch eine weitere halbe Stunde weiterlaufen konnte, bis er zur Arbeit musste.
Das Handy piepte ein Mal. Es hatte etwas Unwirkliches, selbst hier draußen erreichbar zu sein. Leicht irritiert holte er das Telefon hervor und hörte die Nachricht ab.
Sein Herz tat einen Sprung, und als er auflegte, ließ er sich in eine Schneewehe sinken und lachte. Was für ein Glücksfall. Er zog die Thermosflasche hervor und goss sich einen Kakao ein. Er hatte genau die Temperatur und Süße, die er so mochte.
Da würde seine Familie sich aber freuen. Er rief gleich darauf seine Mutter an, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen, achtete aber ganz genau darauf, keine Details über den Fall zu verraten, an dem er arbeiten würde. Während des Telefonats aß er seine mitgebrachten Käsebrote. Erst als seine Finger vor Kälte schmerzten, beendete er das Gespräch.
Mann, was würden seine Kumpels beeindruckt sein. Ein Mordfall, das war ein Ding. Jonas blies warme Luft in seine wollenen Fäustlinge und packte unbeholfen seinen Proviant wieder ein. Er war glücklich. Das Leben lag vor ihm wie eine Pralinenschachtel voller guter Überraschungen, und er musste einfach nur eine nach der anderen aufpicken.
81
Linn schaute aus dem Küchenfenster. Der Schneematsch war über Nacht unter einer Schicht puderweißen Neuschnees verschwunden. Zu ihrer großen Erleichterung war die Straße wie ausgestorben. Dennoch merkte sie, wie sie trotz Wachposten vor der Tür immer nervöser wurde. Zwar freute sie sich für Jonas Orling, dass er endlich eine bedeutungsvollere Aufgabe bekommen hatte, trotzdem war sie auch ein bisschen enttäuscht. Es war angenehm gewesen, diesen großen, ruhigen Teddybär vor der Türe zu wissen. Einsilbig, aber von einer gütigen Aura umgeben.
Seine Nachfolgerin war eine junge Polizistin namens Johanna Ljungblad, und seit sie da war, kam sich Linn vor wie eine Ratte im Versuchslabor. Das Erste, was Ljungblad zu ihr gesagt hatte, war, dass sie »Vorabinformationen« wollte, sofern Linn oder die Kinder planten, die Wohnung zu verlassen. Und dass es eigentlich am besten wäre, sie würden ganz davon absehen. Es hatte Linn eine enorme Portion Selbstbeherrschung gekostet, nicht sofort loszuschreien. Nun ging sie Ljungblad weitmöglichst aus dem Weg, was bedeutete, dass sie sich die meiste Zeit drinnen aufhielt, sofern Magnus nicht zu Hause war.
Elin und Moa quietschten im Badezimmer. Die ganze Situation schien sie glücklicherweise nicht zu belasten, und sie hatten sich bereits an das Leben in der geschützten Wohnung gewöhnt. Draußen schneite es mittlerweile dicke, große Flocken. Früher hätte sie sich bei dieser Gelegenheit die Kinder geschnappt und Schneemänner mit ihnen gebaut, jetzt hatte sie zu große Angst.
Nie im Leben
, dachte sie,
nie im Leben bekommst du noch eine Chance, uns etwas anzutun.
Mit zusammengebissenen Zähnen ging sie in den Flur.
Johanna Ljungblad würde nicht erfreut sein, aber Linn musste sich auf die Auseinandersetzung einlassen. Den Kindern war bereits ihr Zuhause genommen worden. Sie verdienten es, trotzdem so normal wie möglich zu leben. Sie zog die neuen Schneeanzüge der Mädchen aus dem Schrank und suchte die neuen Handschuhe, die Jonas ihnen geschenkt hatte. Als alles vor ihr auf dem Boden lag, kniete sie sich davor und betrachtete die Kleidungsstücke. Eine ganze Weile kniete sie so da, während sich in ihrem Inneren ein Kampf abspielte. Sie konnte sich nicht bewegen. Dann kamen die ersten Tränen und liefen ihr die Wangen hinunter. Mit Wucht schleuderte sie alles wieder in den Schrank. Es ging nicht, es ging einfach nicht.
TEIL SIEBEN
Samstag, 15. November
82
Ungefähr fünfunddreißig Gäste hatten sich anlässlich des vierzigsten Geburtstags von Per Boström eingefunden, und gerade als seine Frau Eva ihren Toast an die fein herausgeputzte Gesellschaft gerichtet hatte, klingelte die Polizei an der Tür.
Nachdem er also, statt mit seinen Gästen im Haus in Vaxholm zu feiern, zum Polizeipräsidium gefahren wurde, explodierte der in Schlips und Kragen gekleidete Per Boström vor Wut. Seine Hasstirade über die Verfehlungen der Polizei führte so weit, dass Magnus ihn explizit auffordern musste, den Mund zu halten.
Nun befanden die Eheleute sich in unterschiedlichen Verhörzimmern. Roger hatte das zweifelhafte Vergnügen, den tobenden
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