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Bittere Sünde (German Edition)

Bittere Sünde (German Edition)

Titel: Bittere Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Roll
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knibbelte einen Moment lang nervös an ihren Nägeln. Auf Magnus wirkte es so, als würde sie gerade ihre Alternativen abwägen. Schlussendlich sagte sie mit einem Seufzen: »Eigentlich ist es weniger das, was er gemacht, sondern eher das, was er nicht gemacht hat. Er hat mir nicht geholfen, als ich Hilfe gebraucht hätte.«
    »Wobei hätten Sie Hilfe gebraucht?«
    »Ach, das war nichts Dramatisches. Irgendwas ist ja immer, und gerade die Teenagerjahre sind schließlich keine einfache Zeit. Aber ich verurteile sein Verhalten nicht … Wieso fragen Sie das alles?«
    Ihr Gesicht war offen und verletzlich. Magnus gefiel ihre ruhige Ausstrahlung, deshalb antwortete er wahrheitsgemäß. »Aus keinem speziellen Grund, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann jede Information hilfreich sein. Wir haben eine Leiche auf dem Hof in Flaxenvik gefunden, den sie mal bewohnt haben.«
    Annika sah ihn schockiert an. »Wer ist es?«
    »Das wissen wir noch nicht, und ich hatte gehofft, dass Sie uns vielleicht einen Hinweis geben könnten.«
    Annika zuckte zusammen, als hätte ihr jemand mit dem Lineal auf die Finger geschlagen. »Ich habe schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu Erik und Gunvor. Das habe ich auch Ihrem Kollegen schon gesagt.«
    Magnus ließ sie nicht aus den Augen. »Aber während Ihrer Kindheit haben Sie doch ein paar eigenartige Dinge bei den Berggrens erlebt, nicht wahr?«
    Annika schüttelte energisch den Kopf. »Ich war ja fast nie dort.«
    »Ich kann verstehen, dass das schwierig für Sie ist.«
    Annika nickte. »Ich habe in den Nachrichten gehört, dass Gunvor aus dem Krankenhaus entführt worden ist«, sagte sie leise. »Warum?«
    »Das wissen wir noch nicht.«
    Annika erhob sich. »Ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen. Sind wir dann hier fertig?«
    »Eine Frage habe ich noch. Ihre Mutter war ja Gunvors Schwester. Hat sie Ihnen mal etwas über die Familie erzählt?«
    »Meine Mutter ist gestorben, als ich sieben war. Bis zu ihrem Tod lag sie ein Jahr lang im Krankenhaus. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie von ihrer Schwester gesprochen hat. Ich kann mich leider nicht mal wirklich an sie selbst erinnern.« Annika senkte hastig den Blick.
    Magnus hatte einen wunden Punkt getroffen, das war ihm jetzt bewusst, und deshalb wechselte er schnell das Thema. »Und Ihr Vater? Hat der was erzählt?«
    »Mein Vater hatte nicht viel mit ihnen zu tun. Er hat mich immer nur in den Ferien dorthin gefahren und dann wieder abgeholt. Mehr Kontakt gab es da nicht.« Annika schielte zur Uhr. »Ich muss jetzt leider gehen.«
    Magnus stand nun ebenfalls auf und gab ihr die Hand. »Kann gut sein, dass wir uns noch mal bei Ihnen melden.«
    Er blickte ihr nach, während sie über den Korridor verschwand. Roger hatte recht, im ersten Moment sah sie wirklich wie eine Balletttänzerin aus. Doch weil sie sich irgendwie etwas ungeschickt und steif bewegte, konnte man den Gedanken gleich wieder ausklammern. Außerdem war sie dafür wohl zu alt. Eine solche Karriere endete vermutlich lange, bevor man die Dreißigermarke knackte.
    Magnus schüttelte sich, die Kälte drang mittlerweile durch jede Ritze, in alle Flure und Zimmer. Ob Gunvor wohl irgendwo lag und fror oder ob sie schon in einem kalten Grab ruhte?

79
    Als Magnus eine Weile später das Präsidium verlassen hatte und in der U-Bahn saß, schaute er aus dem Fenster und war überrascht, wie friedlich alles aussah, als die Bahn aus dem Tunnel herausfuhr und ein kurzes Stück oberirdisch durch die Innenstadt glitt. Die weiße Schneedecke hatte den Rhythmus der Stadt verlangsamt, und alle Geräusche klangen dumpfer und entlegener als sonst. Die jahrhundertealten Häuser in Gamla Stan kauerten sich nah aneinander, als wollten sie sich gegenseitig wärmen, und auf dem Wasser hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet.
    Derzeit fuhr er selten mit dem Auto zur Arbeit. Zum einen hatte er keine Lust auf die elendigen Staus, zum anderen wollte er, dass Linn immer Zugriff auf den Wagen hatte, falls irgendwas passieren sollte,
Gott bewahre
. Heute wäre er jedoch froh über die Bequemlichkeit gewesen. Er freute sich auf Moa und Elin, die für ihn immer und selbstverständlich an erster Stelle standen. Genau das brauchte er gerade, jemanden, der ihm half, die Gedanken an die Morde zu vergessen.
    Außer ihm saßen nur wenige Personen in der Bahn. Schon beim Einsteigen musterte er stets die anderen Fahrgäste, auf der Hut vor jemandem, der ihn möglicherweise ansprechen könnte, weil er

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