Bittere Sünde (German Edition)
wollen wir mit ihm sprechen.«
»Er war es bestimmt. Und jetzt möchten Sie vermutlich wissen, wo wir ihn gesehen haben und warum ich mir so sicher bin, dass er es wirklich war?«
»Gern.«
Carlos zog mühsam sein Hemd hoch. Bauch und Brust waren von groben Narben übersät, so als wäre er brutal ausgepeitscht worden.
Magnus runzelte die Stirn und schaute ihn fragend an.
»Stromkabel. Knüppel waren sein zweitliebstes Foltergerät. Ich habe insgesamt vierzehn Knochenbrüche, die meisten sind falsch zusammengewachsen. Pedro Estrabous Gesicht verfolgt mich seit bald dreißig Jahren Tag und Nacht. Meinen Sie wirklich, dass ich mich da irren könnte? Wenn ja, sind Sie dümmer, als Sie aussehen.«
»Wo ist er jetzt?«, fragte Magnus.
Karina machte einen Schritt auf sie zu. »Ich kann Ihnen die Adresse geben. Carlos muss sich jetzt ausruhen.«
87
Roger starrte intensiv zu dem beigefarbenen Haus hinüber, wo sich Pedro Estrabou aller Wahrscheinlichkeit nach versteckte. Er fühlte sich rastlos.
»Meinst du, er ist zu Hause?« Sofie legte sich ihre Jacke über die Beine, um die Wärme einzufangen.
»Möglich. Wir dürfen unter keinen Umständen auffallen.«
»Vielleicht ist Gunvor da drin.«
Roger sah zweifelnd aus. »Es dürfte fast unmöglich sein, in so einer reinen Wohngegend unbemerkt eine Person ins Haus zu schaffen. Irgendwer steht immer am Fenster und beobachtet alles.«
»Und wenn er Glück hatte?«
»Ich bezweifle, dass er zu den Menschen gehört, die sich auf ihr Glück verlassen.«
Sofie holte ein paar Handschuhe aus der Jackentasche und zog sie an. Ihr Atem stieg in kleinen Wolken Richtung Autodecke. »Ist ganz schön früh kalt geworden dieses Jahr.«
Roger nickte. Trotz Kälte trug er nur seine übliche alte Lederjacke. »Es ist so frustrierend, dass wir ihn nicht einfach festnehmen können …«, sagte er. »Wenn wir ihn doch nur zu einem kurzen Verhör mitnehmen könnten.«
»Ich glaube kaum, dass wir viel aus ihm herausbekommen würden«, vermutete Sofie.
»Magnus schon. Wenn’s einer kann, dann Magnus. Hast du ihn mal in Aktion erlebt?«
»Nein, aber ich habe gehört, dass er ziemlich gut sein soll.«
Roger rieb die kalten Hände gegeneinander, ließ aber die braune Haustür nicht eine Sekunde aus den Augen. Bewegte sich da etwa die Türklinke? Nein, im nächsten Moment sah die Tür wieder genauso unbeweglich aus wie vorher. Roger lehnte sich in seinem Sitz zurück und schob sich eine Portion Kautabak unter die Lippe.
88
Magnus schaute verwundert auf den Bildschirm. Das Haus in Mörby, dessen Adresse Karina Sunfors ihnen genannt hatte, gehörte einem Marcelo Vidas.
Der Mann war 2003 in Schweden aufgetaucht, also in dem Jahr, in dem die Straffreiheit für ehemalige Mitglieder der Militärdiktatur aufgehoben worden war. Die Vermutung, dass Pedro Estrabou sich unter diesem Namen eine neue Identität erschaffen hatte, war nicht unbedingt weit hergeholt.
Magnus studierte die Angaben, die er gerade von British Airways bekommen hatte. Ein paar Mal pro Jahr reiste dieser Marcelo Vidas nach Buenos Aires und nahm dort einen Anschlussflug in die Provinz Córdoba, wo er ein paar Wochen blieb, bevor er die Rückreise nach Schweden antrat. Was machte er dort? Die Familie besuchen?
Magnus merkte gar nicht, dass es draußen bereits dunkel wurde, so sehr war er in seine Recherchen vertieft.
Während Roger und Sofie sein Haus beschatteten, versuchte Magnus so viel wie möglich über Marcelo Vidas herauszufinden. Er hatte schon dessen Kontobewegungen überprüft, Vidas hob jeden Monat exakt viertausend schwedische Kronen an einem Geldautomaten ab. Und zwar immer am gleichen Tag, jeweils am vierzehnten eines jeden Monats. Abgesehen von dem Gehalt einer Reinigungsfirma ging jeden dritten Monat regelmäßig eine Summe von zwölftausend Kronen ein. Woher kam das Geld?
Für eine Weile starrte er auf den braunen Teppich, dann schnappte er sich den Telefonhörer und wählte die Nummer von Polizeichef Osvaldo Ortiz in La Rioja. Die Bewegungen auf Domenique Estrabous Konto mussten ebenfalls überprüft werden.
Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis eine neue E-Mail mit einem Pling im Postfach landete.
Sie haben recht, Mr Kalo. Domenique Estrabou empfängt seit mehreren Jahren regelmäßig eine Summe, die umgerechnet viertausend Kronen entspricht. Stets angewiesen von einem Marcelo Vidas.
Magnus lächelte in sich hinein. Endlich fügten sich ein paar Einzelteile zusammen. Dennoch blieb eine Frage offen:
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