Bittere Sünde (German Edition)
machen.«
»Uns bleiben sechs Stunden, bis wir ihn wieder freilassen müssen. Ich werde die Staatsanwaltschaft kontaktieren. Es kann sein, dass die einen neuen Ermittlungsleiter benennen werden, jetzt, wo wir einen Verdächtigen haben.«
Magnus schüttelte den Kopf. »Das tut mir leid.«
»Was denn? Ich brauche wirklich kein Mitleid.« Arne gab sich größte Mühe, gleichgültig zu klingen, dabei war es offensichtlich, dass ihn diese Aussichten bedrückten. »Knöpf ihn dir gleich vor, finde heraus, wo Gunvor steckt. Um alles Weitere kümmern wir uns später.«
»Ich werde mein Bestes geben, aber ich kann nicht garantieren, dass ich erfolgreich sein werde.«
Arne starrte ihn eindringlich an. »Da draußen rennt ein Mörder frei herum, der nicht einmal vor Polizisten haltmacht. Du weißt selbst, was das bedeutet, nehme ich an?«
Magnus starrte wütend zurück. Er wusste nur allzu gut, was das bedeutete, nicht zuletzt für seine Familie.
91
Linn zog sich das schwarze T-Shirt über den Kopf. Allmählich hatte ihr Gesicht wieder seine normale Farbe und Form, nur noch ein paar schwache grünlich-gelbe Flecken unter den Augen verwiesen noch auf die Geschehnisse in jener Nacht im Gärdet.
Ihre Wut auf den Täter steigerte sich mehr und mehr, was zumindest den positiven Nebeneffekt hatte, dass sie sich stark und tatkräftig fühlte. Nur manchmal, wenn sie an Moa und Elin dachte, beschlich sie wieder diese lähmende Angst und flüsterte mit einem fiesen Grinsen:
Du hast keine Chance.
Die Polizei hatte Pedro Estrabou gefasst. Linn hätte sich darüber eigentlich freuen müssen, trotzdem blieb ein Gefühl der Unsicherheit. Was, wenn sie ihn ohne ausreichende Beweise festgenommen hatten? Was, wenn er gar nicht der Täter war?
Pedro Estrabou war es gewohnt, Gefangene in den Folterkammern der ESMA zu verhören. Würde er wirklich etwas aussagen, in einem Verhör, das von einem wesentlich milderen schwedischen Polizisten geführt wurde? Sie bezweifelte es. Und wenn sie gezwungen waren, ihn wieder laufen zu lassen? Was würde er dann tun? Vielleicht würde er sich dann nicht mehr mit einem Brand oder einem tätlichen Übergriff begnügen, sondern noch schwerere Geschütze auffahren … Und er würde sicher nicht aufhören, ehe sie alle tot waren.
Magnus hatte versprochen, sich unmittelbar nach dem Verhör zu melden, und Linn wartete wie auf glühenden Kohlen. Sie stellte einen elektrischen Heizkörper ins Kinderzimmer, um die Winterkälte zu vertreiben, und setzte sich dann vor den Fernseher. Es zog kalt durch die Belüftungsventile, und obwohl sie zwei Pullover übereinandertrug, fror Linn.
Weil sie so tief in Gedanken versunken war, dauerte es eine ganze Weile, bis ihr auffiel, dass vor ihr ein Kinderzeichentrickfilm über die Mattscheibe flimmerte. Also schaltete sie den Fernseher aus und starrte apathisch vor sich hin. Die ganze Zeit über war sie davon überzeugt gewesen, dass alles besser würde, sobald der Täter geschnappt wäre, aber nun war sie sich nicht mehr so sicher. Magnus und sie hatten sich ein wenig auseinandergelebt in diesem Herbst. Sie war fast permanent allein zu Hause und Zeit, sich ordentlich zu unterhalten, blieb gar nicht mehr. Sie seufzte niedergeschlagen. Nein, nein, so ungerecht durfte sie nicht sein. Romantische Gefühle mussten einfach zurückstecken, wenn jemand die eigene Familie bedrohte. Gerade ging es ums blanke Überleben.
Sie ließ sich in die Sofakissen sinken und legte die Füße auf den Couchtisch. Jetzt wäre es schön gewesen, in Fotoalben zu blättern, um das Gefühl von Familie wiederherzustellen, doch die waren alle dem Feuer zum Opfer gefallen. Traurig weinte sie ein paar Tränen, danach ging sie in die Küche und räumte die Spülmaschine ein.
92
Das Verhörzimmer war schmal und roch muffig. Magnus fühlte sich wie erdrückt von den Wänden. Er atmete tief ein. Dies hier war eine persönliche Angelegenheit. Der Mann, der ihm gegenübersaß, konnte sehr gut derjenige sein, der versucht hatte, seine gesamte Familie zu verbrennen und obendrein Linn zu erschlagen.
Sein Herz klopfte heftig. Er wendete den Blick von Pedros Gesicht ab und schloss kurz die Augen. »Erkennen Sie mich wieder?«, fragte er brüsk.
Pedros Blick war abgeklärt, es lag auch eine Spur Verachtung darin. Die kurzen, ergrauten Wimpern gaben seinen blauen Augen einen harten Ausdruck. Auf dem Gesicht zeichneten sich tiefe Linien ab, die alle nach unten ausgerichtet waren. Abgesehen von den Augenbrauen,
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