Bittere Sünde (German Edition)
schlafen«, sagte er beschwichtigend und rechnete mit dem nächsten Schrei, doch da öffnete sich die Zimmertür und Elin tapste in ihrem grünen Schlafanzug herein.
»Ich will nicht mehr schlafen«, sagte sie mit unerschütterlicher Miene.
Magnus sah resigniert zu, wie seine beiden Töchter sich aufeinanderstürzten und durchs Bett kugelten.
»Dann stehen wir eben auf, ist ja auch schon Morgen.«
7
Es roch ein bisschen faulig, als Magnus ein paar Stunden später das Büro seines Kollegen betrat. Wie gewöhnlich war Rogers Schreibtisch übersät von Papieren, Coladosen und halb gegessenen Croissants. Magnus schwitzte. Der Schlafmangel und der gestrige Besuch im Pflegeheim forderten ihren Tribut, es kam ihm vor, als würde der Boden unter seinen Füßen schwanken. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und verbarg sein Gesicht in den Händen. Das Bild der blutüberströmten Gunvor tauchte wieder und wieder vor seinem geistigen Auge auf. Da hatte etwas in ihrem Blick gelegen, etwas so … Verwundertes.
Roger beugte sich über den Schreibtisch. »Alles in Ordnung?«
»Ja, ich bin einfach nur müde.«
»Das muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein.«
Magnus nickte kurz. Er hatte schon von seinem Erlebnis in Vårdbo erzählt und verspürte kein großes Verlangen, sich zu wiederholen.
Roger wechselte sofort das Thema. Es hatte sowieso keinen Sinn, seinen Kollegen zu drängen, das wusste er. Manchmal kam ihm Magnus vor wie ein Mann aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der man mindestens zwei Schnäpse und eine ordentliche Sauna brauchte, um über seine Gefühle sprechen zu können.
»Ich habe mal im Krankenhaus in Danderyd nachgehört«, sagte er. »Die Dame wurde bereits auf die Intensivstation verlegt. Ihr geht es den Umständen entsprechend gut, sie scheint allerdings noch nicht begriffen zu haben, was ihr zugestoßen ist. Einer der wenigen Vorteile der Demenz, könnte man sagen.«
Magnus lächelte gequält.
»Die Ärzte sagen, dass sie unter Einfluss von Medikamenten stand, als sie eingeliefert wurde«, fuhr Roger fort.
»Was für Medikamente?« Magnus hob überrascht die Augenbrauen.
»Schmerzstillende Mittel in sehr hoher Dosierung. Vermutlich damit sie still blieb, während sie misshandelt wurde.«
Magnus fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Wie steht es denn insgesamt um sie?«, fragte er matt.
Roger sah plötzlich älter aus als fünfundvierzig. Er senkte die Stimme: »Ähnlich wie bei ihrem Sohn wurde der Unterleib mit kochendem Wasser übergossen. Sie hat Verbrennungen dritten Grades erlitten. Der Topf stand noch auf der Herdplatte, aber das restliche Wasser war bereits verkocht.«
Magnus nickte betrübt. Das hatte er mit eigenen Augen gesehen.
»Eine senile alte Frau …« Er verstummte und biss die Zähne zusammen. »Wieso durfte sie überleben, was meinst du?«
Roger zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht wurde der Täter unterbrochen? Vielleicht sogar von dir? Ich habe das Personal noch vor Ort verhört, aber niemand außer einer Hilfspflegerin hat etwas Verdächtiges gesehen. Ihr ist eine Frau aufgefallen, die Vårdbo verlassen hat, kurz nachdem du angekommen bist.«
»Wie sah diese Frau aus?« Magnus’ Sinne waren schlagartig erwacht. Das Bild von Gunvor mit ihren weit aufgerissenen Augen war in seiner Netzhaut eingebrannt. Das Ganze war einfach unwürdig. Das Letzte, was ein alter Mensch auf Erden erleben sollte, war doch kein geisteskrankes Verbrechen. Der starke Wunsch, jemanden zu schlagen, überwältigte ihn. Egal wen.
»Sie trug ein Tuch um den Kopf, dunkle Kleidung, mehr haben wir nicht.«
»Wusste die Zeugin noch die exakte Uhrzeit?«
»Na ja, sie ging ungefähr zehn Minuten, nachdem du angekommen bist.«
»Dann könnte es ja passen.« Magnus sah Roger nachdenklich an. »Können wir mit Gunvor sprechen?«
»Ich fürchte nein. Sie scheint immer noch sehr durcheinander zu sein. Das Einzige, was sie wieder und wieder sagt, ist, dass eine große, eklige Fliege im Zimmer gewesen ist.«
Roger zog die Schultern hoch, wodurch sein ohnehin schon kurzer, untersetzter Körper noch kompakter wirkte als sonst.
»Sofie und ich fahren noch mal hin, um das Personal ein zweites Mal zu verhören. Besonders die Hilfspflegerin, die gesehen hat, wie diese Frau das Gebäude verlassen hat.«
»Hm … Was haben denn deine Gespräche mit den Laubenpiepern ergeben? Zum Beispiel mit diesem Rentner Wingedahl?«, fragte Magnus.
»Ich habe leider nichts Neues aus ihm herauskitzeln
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