Bittere Sünde (German Edition)
können.« Roger schnappte sich seine Lederjacke vom Stuhl. »Ich geh jetzt was essen. Treffen wir uns gegen Viertel nach vier wieder hier?«
»Na klar«, antwortete Magnus geistesabwesend.
8
Moa und Elin schauten einen Zeichentrickfilm im Fernsehen, sodass Linn die Gelegenheit nutzen konnte, duschen zu gehen. Das Wasser strömte über ihre blonden Haare, die nass mausgrau wirkten. Die paar Tage mit den kranken Kindern hatten ihre Spuren hinterlassen. Unter dem warmen Wasserstrahl hatte sie das Gefühl, allmählich aus einem Dämmerzustand aufzuwachen. Ja, sie war eine Kämpfernatur und wurde mit fast jeder Situation fertig, aber gerade fühlte sie sich unglaublich ausgelaugt.
Sie setzte sich in die Badewanne. Der neue Fall, von dem Magnus erzählt hatte, faszinierte sie, und sie hatte nicht anders gekonnt, als ihm jedes noch so kleine Detail dazu zu entlocken. Irgendetwas war daran extrem sonderbar. Die Vorgehensweise war ungewöhnlich kaltblütig. Nur wenige Menschen waren zu so einer grausamen und elaborierten Gewalttat fähig, wie Magnus sie beschrieben hatte. Warum hatte der Täter kein Messer oder etwas in der Art verwendet? Warum ausgerechnet kochendes Wasser?
Sie angelte nach der Seife. Möglicherweise war es ja eine Berufskrankheit, dass sie es nicht lassen konnte, in den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele zu stochern, selbst wenn ihr dabei nicht ganz wohl war. Sie arbeitete ja nicht umsonst als Therapeutin.
Linn ließ sich zurück in das warme Wasser gleiten, das sich unten in der Wanne gesammelt hatte, und rasierte sich geistesabwesend die Beine, während sie über den Mörder nachdachte.
Warst du wütend? Vielleicht erregt? Was hast du danach getan? Bist du noch geblieben und hast Erik Berggren betrachtet? Und warum hast du dich an seiner alten, wehrlosen Mutter vergangen? Wolltest du sie auch töten?
Linn hielt den Rasierer unter den Wasserhahn und die hellen Härchen wirbelten in den Abfluss, als hätten sie es eilig davonzukommen. Dann legte sie den Rasierer an den Rand der Wanne.
Die Tat in der Gartenlaube erforderte eine außerordentliche Selbstbeherrschung, dafür musste man erst einmal die entsprechende Persönlichkeit besitzen. Das war kein schluderig ausgeführter Mord eines nervösen Sadisten gewesen. Dahinter steckte jemand, der viel raffinierter zu Werke ging.
Ein gellender Schrei unterbrach ihren Gedankengang. Moa und Elin stritten sich lauthals im Wohnzimmer. Mit einem Seufzen stieg Linn aus der Wanne. Eins war jedenfalls klar: Jemand mit kleinen Kindern hätte niemals genug Zeit, sich ein so ausgeklügeltes Szenario auszudenken. Eilig griff sie nach dem Handtuch.
9
Der gigantische Konferenztisch aus Buche und die beigefarbenen Gardinen mit ihren aufgestickten Tulpen verliehen dem Raum einen abgenutzten und siebzigerjahremäßigen Eindruck. Der Teppichboden, der sicher einst für Gemütlichkeit gesorgt hatte, war nun ein Milbenparadies, das einen Stauballergiker sofort in ernste Schwierigkeiten bringen konnte. Magnus saß mit dem Stuhl wippend zwischen seinen Kollegen und trommelte gleichzeitig ungeduldig mit einem Stift auf die Tischkante. Als alle mit Kaffee versorgt waren, wirkte Sofie bereits wie kurz vorm Platzen. Es war nicht zu übersehen, dass sie etwas herausgefunden hatte. Ohne Notiz von ihr zu nehmen, stellte sich Arne Norman vorn ans Whiteboard und schrieb die Namen »Erik« und »Gunvor« daran. Dann wandte er sich um.
»Wer möchte anfangen?«
»Ich.« Sofie machte einen langen Hals. Schon in dem einen Wörtchen schwang förmlich ihre ganze Aufregung mit. Gerade erinnerte sie an eine dieser eifrigen Schülerinnen, die es kaum abwarten konnten, endlich drangenommen zu werden. Magnus und Roger tauschten einen belustigten Blick, der ihr glücklicherweise entging.
»Ich bin auf ein paar interessante Dinge gestoßen«, setzte sie an. »Sowohl Erik Berggren als auch seine Mutter wurden ja mit kochendem Wasser übergossen, deshalb habe ich natürlich nach ähnlichen Fällen gesucht … Ich habe nichts gefunden, das direkt übereinstimmte, aber ratet mal, was ich stattdessen herausgefunden habe.« Sie machte eine Pause und blickte zufrieden in die Runde, bevor sie fortfuhr: »Gunvor Berggren hat vor über dreißig Jahren Anzeige wegen Tierquälerei erstattet. Damals wohnte sie noch auf einem Hof in Flaxenvik ein bisschen außerhalb von Åkersberga.«
»Und?« Roger sah sie verwirrt an.
Sofie hob triumphierend das Kinn.
»Es ging um ihren Hund. Der war mit
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